Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei

In Hannover ging es gleich zweimal um das wurstig klein gehackte Fleisch im zarten Saitling: den Frankfurter Gegner zu selbigem Würstchen zu verarbeiten und kein erneutes Debakel mit dem neu eingeführten elektronischen Wurst-Bezahlsystem zu erleben

von Jörg Heynlein

Während des ersten Heimspiels der 96er am 6. August gegen Hertha BSC Berlin brach das bargeldlose Zahlungssystem unter der Last der Systemabfragen zusammen. Alle Welt rechnete unbegründet mit der Fehlerlosigkeit der vorweltmeisterlichen Technik. Warum auch immer. Nur die Rechner selbst nicht. Und stellten wegen Überlastung den Datenfluss ein. Hungernde und dürstende Fans sahen goldgelbes Bier und brutzelnde Bratwürste nur wenige Zentimeter entfernt auf Käufer warten. Doch konnten sie nicht zusammengebracht werden. Denn Bargeldzahlung war in Notsituationen wie einem Systemausfall nicht vorgesehen.

Unzählige Würste wanderten in den Müll statt in die Mägen, etliche Schweine ließen somit umsonst ihr Leben. Ausgehungerte und dehydrierte Fans gingen den Ordnern an den Kragen, tumultartige Szenen spielten sich vor den Verkaufsständen ab. Hannover hatte eine echte Wurstaffäre. Am vergangenen Dienstag nun lud man die Medienvertreter ein, um – bei Kuchen – über Problemlösung und Fan-Wiedergutmachung zu informieren. Zusammen mit dem Systemlieferanten, der Deutschen Telekom AG, erklärte der neomächtige Karl-Heinz Vehling Lösungswege aus dem Bezahlsystem- und Bratwurstdilemma.

Der Jurist Vehling füllt drei der sechs Posten im Geschäftsführerkader der breit gefächerten Gesellschaftsstruktur bei Hannover 96 aus. Er ist neben dem neuen Vorstandsvorsitzenden Götz von Fromberg starker Mann in der Juristen-Doppelspitze. Der Jurist Fromberg, Organisator zahlreicher Prominenten-Tischfußballturniere im heimischen Partykeller, hatte erst vor drei Wochen das Zepter vom scheidenden Martin Kind übernommen.

Für das Spiel gegen Frankfurt nun versprach Vehling eine doppelte Happy-hour. 96-Fans – die Gäste wurden ausgenommen – durften in der Zeit von 13.30 Uhr bis 15.30 Uhr Alkohol- und Cholesterinspiegel zum halben Preis nach oben treiben. Es gab Bier und Bratwurst zum halben Preis. Freibier und Freiwurst hätte es gegeben, wenn das bargeldlose Bezahlsystem erneut die Grätsche gemacht hätte und das extra für dieses Katastrophenszenario an den Verkaufsbuden deponierte Bargeld aufgebraucht worden wäre. Doch es ging alles glatt. Der digitale Rubel rollte störungsfrei.

Die Wiedergutmachung zeigte bereits um 15.45 Uhr erste Folgen, als ein beduselter Mitfünfziger schweren Schrittes die steile steinerne Treppe neben der Medientribüne abwärts stakste. Aus seiner rechten Hosentasche ragte: ein angebissenes Würstchen. Die Redundanz des Gesamtsystems zeigte erste Spuren.

Ansonsten scheint Hannover eher eine Hochburg der Vegetarier und des maßvollen Umgangs mit Alkohol zu sein; denn nur 35.000 Fans folgten den kulinarischen Lockrufen in die 50.000 Zuschauer fassende Arena. Vielen war das Spiel einfach wurst. Vielleicht lag es aber auch an den Frankfurtern.