wortwechsel
: Pflichten werden vor allem „erledigt“

Antisemitismus soll bekämpft werden, indem alle SchülerInnen durch KZ-Gedenkstätten geführt werden. taz-LeserInnen bezweifeln, dass das hilfreich ist

Das ehemalige Todeslager Auschwitz, Januar 2010 Kacper Pempel/reuters Foto: Foto:

„Müssen alle SchülerInnen KZ-Gedenkstätten sehen?“, taz vom 10. 1. 18

Historische Lernorte

Aus welchem Grund wird auf dem Titelblatt der taz von „KZ-Besuchen“ gesprochen? Wie auch auf Seite 18 ist es angemessener, von „KZ-Gedenkstätten“ oder „ehemaligen KZ“ zu sprechen. Glücklicherweise sind es in der Gegenwart keine Konzentrationslager mehr, sondern historische Orte, die als Gedenkstätten, Bildungsstätten und Lernorte genutzt werden und dementsprechend (erinnerungspolitisch) überformt und gestaltet sind. Michael Kowalske, Berlin

Alles ist wiederholbar

Nichts wurde so gründlich „erledigt“ in der deutschen Geschichte wie die Vernichtung, Entsorgung und Verwertung von Menschenleben in der NS-Zeit. Gerade deshalb gruselt mich der Gedanke, KZ-Besuche in Schulen zum Pflichtprogramm zu erheben. Ich erinnere mich mit Schrecken daran, dass das Gedenken Ende der 1970er Jahre nicht „populär“ wurde durch Bilder, Filme und Dokumente des grausamen Mordens, sondern durch die Fernsehserie „Holocaust“. Nicht die Bilder der Realität hatten für Furore gesorgt, sondern eine ans Herz gehende amerikanische Serie. Und auf einmal wurde der unfassbare Schrecken auch mit einem Wort „griffig“: Holocaust. Bis dahin hatte es irgendwie keine Bezeichnung für all das, was geschehen war, gegeben.

Vierzig Jahre später denke ich: So lange Jahrzehnte deutscher Gedenkkultur haben wenig geändert und eher das bestätigt, was ich schon damals befürchtet habe: Alles ist wiederholbar.

Ich glaube nicht, dass verpflichtende KZ-Besuche Empathie fördern. Jedes Katzenvideo auf YouTube tut es wahrscheinlich mehr. Ich glaube vielmehr, dass es Zeit ist, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, was wir für eine Erinnerungskultur in unserem Land pflegen. In stillem Grausen vor Denkmälern in die Knie zu gehen, ist das eine. Konkret im Alltag, jetzt, hier und heute, das Stolpern zu lernen, das Hinschauen und das gegenseitige Helfen beim Wiederaufstehen wäre wichtiger. Zu fragen, was hat die Vernichtung von Millionen Juden und anderen mit dem zu tun, was mich gerade umtreibt, im Zusammensein mit fremden Leuten in der Schule, auf der Arbeit, in der Straßenbahn. Und das müssen wir alle lernen, egal zu welcher Kultur oder Religion wir gehören.

Deshalb sind diese Steine, über die wir auf dem Bürgersteig stolpern, so wichtig. Dass man sie treten und beschmutzen kann, spricht nicht gegen sie. Denn auch das bleibt jedes Denkmal und jede Erinnerung: fragil und verletzlich. Und gerade deshalb darf es keine Pflicht geben in dieser Frage. Denn Pflichten werden vor allem „erledigt“. Hildegard Meier, Köln

Pflicht und Schuldigkeit

Ich möchte nachdrücklich von Pflichtbesuchen in KZs abraten. Als jemand, der regelmäßig Gäste über das Gelände des vormaligen KZs Sachsenhausen führt, begegne ich des Öfteren Schülergruppen des 10. Jahrgangs, die 15, 16 Jahre alt sind. Die meisten zeigen sich desinteressiert bis gelangweilt, spielen mit ihren Handys oder flachsen rum. Das kritisiere ich nicht, sondern ich kritisiere Lehrer*innen, die meinen, ohne gründliche Vorbereitung durch den Besuch ihre Pflicht und Schuldigkeit bezüglich des Holocausts geleistet zu haben. Hinzu kommt, dass es leider eine Menge Gedenkstättenführer gibt, die inhaltlich und vor allem didaktisch eine Katastrophe sind und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Ronnie Golz, Berlin

Massive Einmischung

„Syrizas Heuchelei“, taz vom 10. 1. 18

Jannis Papadimitriou schreibt: „Zur Wahrheit gehört auch, dass die geplante Einschränkung des Streikrechts im Vergleich mit Deutschland nicht gerade dramatisch ist.“ Leider ist genau dies nicht wahr. Das Gegenteil ist richtig:

Die in der taz skizzierte Einschränkung des Streikrechts ist eine massive staatliche Einmischung in die Handlungsfreiheit der griechischen Gewerkschaften, die es so in Deutschland nicht gibt. Die große Mehrheit aller Streiks in Deutschland findet ohne irgendeine Urabstimmung statt – ganz aktuell zum Beispiel die Warnstreiks in der Metallindustrie.

Im Gegensatz zur fälschlichen Annahme des Autors gibt es in Deutschland kein Gesetz, das den Gewerkschaften Urabstimmungen vorschreibt, und nirgendwo ist deshalb auch ein gesetzliches Quorum für deren Gültigkeit vorgeschrieben.

Ob, wann und wie deutsche Gewerkschaften Urabstimmungen durchführen, entscheiden sie ganz allein im Rahmen ihrer selbst gewählten Satzungen.

Heiner Dribbusch, Düsseldorf

Recherchiert das mal

„Zahl des Tages: 1,9 Milliarden Liter ­Mineralwasser“, taz vom 10. 1. 18

Ihr beschreibt die durchweg gute Qualität unseres Leitungswassers und stellt den steigenden Bedarf an gekauftem stillen Mineralwasser infrage. Wie sicher kann ich sein, dass bei mir aus dem Hahn auch wirklich die gut überwachte Qualität ankommt, wenn ich einmal die Unwägbarkeiten in den Transportleitungen berücksichtige? Ich würde gern mehr dazu erfahren, gerade auch im Hinblick auf die immer wieder diskutierten Thematiken wie Antibiotika und andere Rückstände im Trinkwasser. Und wie steht es mit den Mineralien, wie mit den Grenzwerten für diverse Rückstände im Leitungswasser? Gern würde ich meinen Verbrauch umstellen. Vielleicht könnt ihr das ja mal recherchieren. Frank Suttkus, Heidelberg

Hilfloser Zitteraal

„Vom E-Vermögen der Zitteraale“, taz vom 8. 1. 18

Ja, man kann auch mit Zitteraalen ernste Wissenschaft betrieben haben, um den vielen Geschichten über das Verhalten des Zitteraals einige belastbare Fakten hinzuzufügen. Ich habe mich, angeregt von den kolportierten und anderen Geschichtchen über den Zitteraal, mit dem „Fress- und Orientierungsverhalten beim Zitteraal“ (Dissertation, Uni Tübingen 1973) beschäftigt und einiges bestätigt und anderes in den Bereich der Fantasie verwiesen.

Zitteraale sind keine blutrünstigen Bestien, sondern außerhalb des Wassers ziemlich hilflose Wesen, abgesehen von ihrer Fähigkeit, heftige elektrische Schläge austeilen zu können. Sie haben als Fischjäger ihre Muskeln zu elektrischen Organen umgewandelt, wie im Artikel erklärt.

In ihrem Element, dem trüben Wasser des Amazonasgebiets, genügt es, die Beute mechanisch oder durch veränderte Leitfähigkeit der Umgebung zu bemerken, um bei ihm das „schreckliche“, aus Nashville beschriebene Verhalten auszulösen. Für den blinden Fisch „fühlt“ sich ein Körperteil auch nicht anders an, als ein Beutefisch. Er entlädt sich und – schwupp – schwimmt ihm der Fisch ins Maul, der Anode, gerade so, wie bei jenem Mann im Reisfeld mit der Batterie.

In der Gegend von Requena, Peru, ernten Zitteraale Baumfrüchte, indem sie nahe an die Bäume heranschwimmen und die Früchte mit einer Entladung zum Abfallen veranlassen. Wäre wohl ein Nachtisch für den Fischjäger.

Zitteraale haben die Schwiegermutter beim Baden umgebracht? Ist denkbar, denn sie war herzkrank, und die Art der Entladung kann Herzrhythmusstörungen auslösen. Gerhard Braungardt, Nehren

Segensreiche Erfindung

„Wie machen Sie das? Die ohne Smartphone“, taz vom 6. 1. 18

Na, das klingt ja abenteuerlich! Bis jetzt habe ich weder Handy noch Smartphone, bin aber von der Erfindung des Letzteren begeistert. Vor Jahren herrschte in den Zügen Durcheinandergebrülle, weil zig Leutchen gleichzeitig ihr Liebesleben lautstark und haarklein vor der jeweils besten Freundin ausbreiten mussten. Nun wird in aller Stille das Geheimste mit hundertzwanzig besten Freunden geteilt, und ich kann in Ruhe lesen, Leute gucken oder aus dem Fenster schauen.

Lene Weise, Oberlichtenau