Bahnhof auf Reisen

Mit der eigens komponierten Bahnhofssinfonie soll im KuBa gezeigt werden, wohin die Reise geht: zum klassischen Bürgerhaus

Bremen taz ■ Das schönste Theater ist der Bahnhof. Abschiede, Aufbrüche. Die Verwandlung der Wartenden bei der Ankunft des Erwarteten. So wäre eine Bahnhofssinfonie vorstellbar.

Peter Friemer erhielt den Auftrag, ein solches Werk für einen Ort zu komponieren, an dem längst alle Züge abgefahren waren: den einst zum Kulturbahnhof KuBa umgebauten Güterschuppen in Vegesack. Nach der Insolvenz im Juli 2004 wurde der Saal nur noch sporadisch vermietet. Zur Wiederöffnung als selbstständiger Kulturproduktionsstätte gründete Rechtsanwalt Axel Adamietz mit sich selbst als erstem Vorsitzenden jetzt den Trägerverein Kultureinrichtungen Bremen-Nord e. V. Dieser solle treuhänderisch, so Adamietz, als Ansprechpartner für alle KuBa-Angelegenheiten fungieren und als Dienstleister auch die Kooperation der verfehdeten Kultureinrichtungen Nordbremens befördern. Sein Hauptanliegen: keine Verpachtung des KuBa als Disko. Adamietz’ Erfolg: „Das KuBa lebt wieder, die Grundfinanzierung von 100.000 Euro für 2005 ist gesichert, so dass ich wieder Verwaltungspersonal einstellen kann.“ Für 2006 rechnet Adamietz mit 200.000 Euro aus diversen Fördertöpfen.

Zur KuBa-Entmottung sollten Friemer und Blaumeier-Regisseurin Barbara Weste ein Massenspektakel mit 80 Mitwirkenden auf die Bühne zaubern: Angekündigt wird der „IC Sinfonie auf der Fahrt von Harmonie nach Dissonanz“, mit 13 Minuten Verspätung nah am Vorbild Deutsche Bahn. Dafür entwickelt sich ein perkussives Dampflokomotiven-Tuff-Tuff zum Sambakarneval-Szenario. 120 Zuschauer nehmen auf den bestuhlten Gleisen Platz: freie Untersicht auf die Bahnsteige. Wenn Hesses „Blauer Schmetterling“ abhebt, schaukelt ein solcher an der Decke, dazu querflöten zwei Mädchen mit Glitzerhaar. Zwischendurch: Miniaturszenen Bahnhofstheater. Und liebevolle Versuche, Kommunikation zwischen Veteranenrockband, Barockflötisten, jugendlichem Streichquartett und Musikschulensemble herzustellen.

Künstlerisch mal rührend, mal auf ordentlichem Amateurniveau – manchmal auch schmerzhaft schlecht, wie man es eigentlich für Eintrittsgeld nur erträgt, wenn die eigene Familie mitmusiziert. Aber hier geht es vor allem darum, klassische Bürgerhauspädagogik zu machen: Initiativen aus allen gesellschaftlichen Bereichen aufnehmen, kulturelle Kreativität fördern und öffentlich machen – und das unter professioneller Anleitung. „So stelle ich mir die KuBa-Arbeit der Zukunft vor“, schwärmt Adamietz nach der Uraufführung. Jens Fischer