Berlin begehrt

Gleich fünf Initiativen wollen derzeit einen Volksentscheid: eine neue Regierung, bessere Krankenhäuser, weniger Werbung, keine Schulprivatisierung und mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen. Wer hat Chancen durchzukommen? Wer nicht? Der taz-Check

Damit ein Volksbegehren stattfinden kann, muss eine Initiative mindestens 20.000 Unterschriften von wahlberechtigten BerlinerInnen sammeln. Ist diese Hürde genommen, prüft die Innenverwaltung die rechtliche Zulässigkeit. Erst danach kann es zum Volksbegehren kommen.

Dabei müssen innerhalb von vier Monaten rund 175.000 gültige Unterschriften gesammelt werden. Wird auch dieses Ziel erreicht, kann das Abgeordnetenhaus den Gesetzentwurf entweder annehmen, oder es kommt zum Volksentscheid.

Zu dieser Abstimmung sind alle BerlinerInnen an einem bestimmten Termin aufgerufen. Der Entwurf wird zum Gesetz, wenn mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten – rund 630.000 – dafür stimmen und diese auch die Mehrheit der abgegebenen Stimmen stellen.

Neuwahlen

Müller fasst sich selbst an den Kragen Foto: Kay Nietfeld/dpa

Worum geht’s? Rot-Rot-Grün soll abgewählt werden, fordert die Rentnerpartei Die Grauen. Die B.Z. zitiert Klaus Leingrüner (77) aus Reinickendorf: „In unserer Stadt geht alles den Bach runter. Da war ja selbst noch die Große Koalition besser.“ Das haben auch schon die Volksentscheid-Experten der FDP gesagt.

Zwischenstand Letzten Donnerstag gestartet, kamen schon in den ersten Minuten zahlreiche Unterschriften zusammen, manche sehr zittrig.

Wer sollte unterschreiben? Alle, die den Stift noch halten können. Linken- und Grünenfresser. Teile der SPD.

Erfolgsaussichten Anders als bei Volksbegehren zu konkreten Gesetzen braucht die Regierungsablösung im ersten Schritt 50.000, im zweiten 490.000 Unterschriften. Erst danach käme es zur Abstimmung. Genug Senioren gäbe es, was die Grauen aber nicht bedacht haben: In Lichtenberg und Hellersdorf wählen sie PDS. (epe)

Gesunde Krankenhäuser

Wer gesund rauskommen will, unterschreibt Foto: M. Gambarini/dpa

Worum geht’s? Das Bündnis Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus will die Bedingungen in den Krankenhäusern verbessern. Ein verbindlicher Personalschlüssel sowie höhere Investitionen sollen gesetzlich festgeschrieben werden. Ziel sind bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Versorgung an allen Krankenhäusern – nicht nur dort, wo erfolgreiche Arbeitskämpfe geführt wurden.

Zwischenstand Das Volksbegehren startet erst in den nächsten Wochen. Ab dann kann unterschrieben werden, bis die Ärztin kommt.

Wer sollte unterschreiben? Nicht nur Schwestern und Pfleger: Dass man selbst, ein Angehöriger oder eine Freundin mal im Krankenhaus landet, kann immer passieren.

Erfolgsaussichten Zu so einem frühen Zeitpunkt noch schwer vorauszusagen, wahrscheinlich aber sehr gut: Für dieses Thema Unterstützung zu bekommen, sollte im krank gesparten Berlin nicht schwer sein. (mgu)

Videoüberwachung

Glotz nicht so! Foto: Sascha Steinach/picture alliance

Worum geht’s? Wenn es nach Heinz Buschkowsky (Ex-Bezirksbürgermeister) und Thomas Heilmann (Ex-Senator) geht, sollen 50 kriminalitätsbelastete Orte und gefährdete Gebäude mit Kameras überwacht werden. Das würde auch die Mitinitiatoren von Polizeigewerkschaft und Immobilienverband freuen.

Zwischenstand 17.123 Unterschriften wurden gesammelt; die 20.000 sind für März angepeilt. Danach kann Stufe zwei beginnen.

Wer sollte unterschreiben? „Ich habe nichts zu verbergen“-Floskler, Waffenschein-Inhaber, Angsthasen, AfD-Fans, Omas mit baumelnden Handtaschen, Erich Mielke (R.I.P.).

Erfolgsaussichten Jede weitere Bild-Titelseite mit Fotos vermeintlicher G20-Störer, jedes Video von Attacken in der voll überwachten BVG stillen die Voyeursgelüste. Das Potential ist also hoch. Dagegen bräuchte es eine kluge, linke Sicherheits- und Innenpolitik. Bitte was? (epe)

Unsere Schule

Einfach mal auf den Putz hauen Foto: Rolf Zöllner/imago

Worum geht’s? Der Verein Gemeingut in BürgerInnenhand kämpft gegen den Plan, die bezirklichen Schulgebäude zwecks Sanierung der Wohnungsbaugesellschaft Howoge zu übertragen. Die Howoge ist eine privatrechtliche GmbH. Sie kann Kredite für den Schulbau aufnehmen, die nicht im Landeshaushalt auftauchen. Die Initiative spricht von einer „Schulprivatisierung“, die Finanzverwaltung von einer „Kreditfinanzierung im öffentlichen Sektor“.

Zwischenstand Seit dem 3. Januar wird gesammelt. Zu früh für eine erste Bilanz, sagt Initiativen-Sprecher Carl Waßmuth.

Wer sollte unterschreiben? JurastudentInnen. AntikapitalistInnen im Unruhestand (die Initiative sammelt auf der Luxemburg-Liebknecht-Demo am Sonntag). SchulabbrecherInnen.

Erfolgsaussichten Der Blick in die Schulkloschüssel offenbart trübe Aussichten. Zu kompliziert ist die Sache (siehe oben). (akl)

Berlin Werbefrei

Regenschirme können vorerst helfen Foto: Sebastian Wells

Worum geht’s? Bürgerini-Sprecher Fadi El-Ghazi sagt: „Die Stadt soll nicht aussehen wie ein Werbeprospekt.“ Dafür will man ein Gesetz, das Außenwerbung und Werbung in öffentlichen Einrichtungen einschränkt. Unterstützung gibt’s vom Verein Changing Cities, auch beteiligt am vom Senat übernommenen Volksentscheid Fahrrad.

Zwischenstand Unterschriften werden ab dem 16. Januar gesammelt. Bislang gab es Streit mit dem Senat über die Kostenschätzung. Ergebnis: 30 Millionen weniger Einnahmen für die Stadt bei erfolgreichem Volksentscheid.

Wer sollte unterschreiben? Kommunikationsguerilleros, Kapitalismuskritiker, Ästheten, alle, die Hans Wall nicht für einen reinen Altruisten halten.

Erfolgsaussichten Dienstag wurden Berlins Werbeflächen vergeben. Sollten die geplanten Hunderten elektronischen Werbetafeln zu mehr Unfällen führen, wird die erste Stufe genommen. (epe)