Verein der Berliner Künstlerinnen: Nach Berlin der Kunst wegen
Seit mehr als 150 Jahren besteht der Verein der Berliner Künstlerinnen – die Ausstellung „Fortsetzung jetzt!“ auf der Zitadelle Spandau.
Vor etwas mehr als einem Jahr, Ende 2016, begann der 1867 gegründete Verein der Berliner Künstlerinnen mit einer Reihe von Ausstellungen, sein 150-jähriges Jubiläum zu begehen. Die erste Ausstellung „Fortsetzung folgt!“ galt dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, als Frauen in dem Verein eine künstlerische Ausbildung erhalten konnten, die ihnen an den Akademien noch verweigert wurde.
In den Atelierräumen, die der Verein in Berlin an der schon damals prominenten Potsdamer Straße für seine Schule hatte bauen lassen und in denen heute die Camaro Stiftung ihren Sitz hat, waren viel gute Künstlerinnen zu entdecken, von denen nur wenige bekannt geworden sind. Dass viele vergessen wurden, markiert eben oft die Geschichte von Künstlerinnen.
Heute hat der Verein, dem es weiterhin um Austausch und eine bessere Sichtbarkeit von Künstlerinnen geht, rund 40 Mitglieder. Deren aktuelle Ausstellung „Fortsetzung jetzt!“ ist die räumlich größte der Jubiläums und bietet 22 von ihnen sowie drei Gastkünstlerinnen gute Möglichkeiten der Entfaltung. An einem freilich in der Kunstszene nicht eingeführten Ort: In der Alten Kaserne auf der Zitadelle Spandau, die erst vor knapp einem Jahr als Ausstellungsort hergerichtet wurde. An einem Tag im Dezember war ich da fast alleine in den Räumen.
Zitat einer Traumwelt
„Fortsetzung jetzt!“, Alte Kaserne auf der Zitadelle Spandau in Berlin, täglich 10 bis 17 Uhr, bis 2. April
Es sollte eigentlich nicht überraschen, dass viele der Künstlerinnen des Vereins der Kunst wegen nach Berlin gekommen sind. Das gilt für Hannah Dougherty, 1980 in Philadelphia geboren, Malerin und Bühnenbildnerin, die in der Kaserne Zeichnungen und Gemälde auf einem Gerüst zu einer großen Collage zusammenstellt.
„Ethology“ erzählt von Tigern und Wölfen, Hasen und Adlern, Wildtieren und Haustieren, die zum einen sehr schön gezeichnet sind und von dem Gerüst aus den Raum attackieren. Aber durch die Anordnung und das teils fragile, transparente Papier haben sie auch etwas sehr Fragmentarisches, vom Verschwinden bedrohtes: Das tierische Bild ist abrufbar, aber es hat sein Verhältnis zur Realität verloren, es scheint Zitat einer Fantasy- oder Traumwelt, zugänglich nur noch als Illusion.
Ähnlich wie bei Dougherty schieben sich die Körperfragmente, die Tania Bedrinana gemalt hat, von der Wand in den Raum und über den Boden. Die 1973 in Peru geborene Künstlerin, die ihr Studium an der Universität der Künste in Berlin abschloss, wurde von der Kuratorin Claudia Beelitz als Gast eingeladen.
Erinnerung an Höhlenzeichnungen
Wie sie in erdigen Farben Füße, Hände oder die Form eines Gesichts in einzelnen Cut-outs präsentiert, dazwischen aber auch Begegnungen zwischen Mensch und hungrigem Tier malt, erinnert an Ausgrabungsorte und an Höhlenzeichnungen. Die Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte scheinen bei ihr verdampft, was sie darunter freilegt, überrascht durch die Behutsamkeit der Präsentation.
Einen inhaltlichen Akzent hat die Kuratorin Claudia Beelitz gesetzt. Dass die Künstlerinnen nun gerade in einer ehemaligen Kaserne ausstellen, spielt für die Auswahl der Arbeiten eine Rolle. Bettina Cohnen zeigt etwa große fotografische Porträts von Frauen, die an Reenactments von militärischen Ereignissen teilnahmen – allerdings vermisst man da, etwas mehr über den Kontext der Reenactments zu erfahren.
Anders ist das in den großformatigen Gemälden von Alke Brinkmann, einer Berliner Malerin, die auch seit langen Jahren kulturpolitisch aktiv ist. Für sie wurde das Tagebuch ihrer Großmutter, die Hitler verehrte und den Nationalsozialismus verklärte – „Unser Leben war schon so sauber geworden“ – zum Anlass einer Reihe von intimen Familienbildern.
Die zeigen einerseits den innigen und vertrauten Umgang miteinander, den Schutzraum Familie, und konfrontieren ihn andererseits mit Zitaten der Großmutter und Symbolen der kriegerischen Eroberung der NS-Zeit. Die Bildern vermitteln den Schrecken darüber, wie das eine das andere ummantelt und eine Trennung in Gut und Böse kaum möglich ist.
Tanz auf dem Kanonenofen
Seit 1990 verleiht der Verein alle zwei Jahre den Marianne Werefkin Preis an eine Künstlerin. Zwei der Preisträgerinnen, die zu Mitgliedern des Vereins wurden, sind Caro Suerkemper und Isa Melsheimer, die beide in Spandau dabei sind.
Isa Melsheimer beschäftigt sich mit Architektur, Grundrissen, dem Umgang mit der Moderne und übersetzt die Reflexionen dazu oft in Materialien aus Stoff, genäht und bestickt, sodass sich Innen- und Außenwelt unvermutet begegnen. Caro Suerkemper zeigt drei ihrer Skulpturen, aus Gips und Metall, die sich mit einem koketten und verführerischen Frauenbild beschäftigen.
Ein nacktes Trio tanzt auf einem Kanonenofen, sehr ornamental wirkt ein Drache, der dabei ist, eine Frau zu verzehren, ein Bein hat er im schon im Maul. Einerseits wirken Suerkempers Skulpturen wie eine Persiflage auf bekannte, dekorative und laszive Szenen; andererseits wie ein provozierendes Spiel mit den zugedachten Posen. Es gibt wenige Künstlerinnen die sich so kontinuierlich und so schräg wie sie mit der Geschichte der erotischen Kunst beschäftigen.
Ermutigung, ihre Geschichte zu erzählen
In den 1980er Jahren habe ich zum ersten Mal eine Ausstellung des Vereins der Berliner Künstlerinnen gesehen, damals eine etwas betuliche Angelegenheit von hauptsächlich älteren Malerinnen. Dass auch deren Geschichten viel von der Verdrängung der Künstlerinnen erzählten, die in den Vorkriegszeiten eine Ausbildung begonnen hatten und in der Nachkriegszeit dann wieder zurückgedrängt wurden auf einen kleinen kunstgewerblichen Bereich, das machte mir damals eine Galeristin, Karoline Müller, klar.
Sie ermutigte den Verein, seine eigene Geschichte zu erforschen und neue Instrumente zu schaffen, wie den Werefkin Preis, um wieder zu einer Kraft der Unterstützung für Künstlerinnen werden zu können.
„Fortsetzung jetzt!“, Alte Kaserne auf der Zitadelle Spandau, täglich 10 bis 17 Uhr, bis 2. April
In Spandau ist mit drei Skulpturen auch die Bildhauerin Emerita Pansowová (geb. 1946 in Bratislava) dabei, von der es in Marzahn mehrere Werke im öffentlichen Raum gibt, die einen zarten und formal reduzierten Humanismus in der Tradition der DDR repräsentieren. Das wirkt zunächst wie eine etwas einsame Position unter den heutigen Künstlerinnen des Vereins, steht aber eben auch für seine Offenheit und sein Umfassen von mehreren Generationen.
Von Emerita Pansowová lässt sich wieder der Bogen schlagen zu einer weiteren Gastkünstlerin, Lucy Teasdale, 1984 in Birmingham geboren. Denn ihre Werke knüpfen einerseits an Figur und Narration an, lösen sie andererseits aber auf in einem Material, das erstaunlich weich und formbar wirkt, wie eine Mischung aus Gips und Margarine. Wilde Bewegung, Materialfluss und Formentstehung übernehmen das Spiel. Als ob die Skulptur, so wie sie da steht, nur ein Durchgangsstadium der Energie wäre.
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