Braucht Berlin ein Böllerverbot?

ja,

Foto: Die Reste vom Feste Foto: Stefan Zeitz/imago

von Anna Klöpper

Die Forderung nach einem Böllerverbot zu Silvester ist richtig. Das mag man spießig finden, aber selbst wenn man kein Anhänger einer Verbotskultur ist: Silvester ist in einigen Berliner Innenstadtbezirken vor allem ein Fest der Rücksichtslosigkeit.

Die Kosten für die Allgemeinheit sind nun einmal zu hoch, als dass sie der Spaß, den die Knallerei vielen mit Sicherheit macht, rechtfertigen könnte: Menschen, die sich völlig sinnlos ihre Gliedmaßen weggesprengt haben, blockieren das Notrufsystem der Feuerwehr – gemeinsam mit denjenigen, denen ein Böller in der Kapuze völlig sinnlos das Trommelfell zerfetzt hat. Jedes Jahr aufs Neue beklagt man sich in dieser Stadt über die Tonnen von Raketenmüll, die am Neujahrsmorgen (und in einigen Kiezen noch viele Wochen danach) die Rad- und Gehwege unsicherer machen. Und auch wenn das besonders spießig klingen mag: Die Feinstaubbelastung in der Silvesternacht ist in etwa so krass, als wenn man freiwillig auf der Autobahn Wandern geht.

Nun sind Verbotsdebatten immer schwierig. Vielleicht sollte man deshalb auch besser darüber diskutieren, wo man in Berlin künftig knallen darf. Warum nicht einige Plätze explizit für die Knallerei freigeben – dann wissen auch alle, welche Orte man meiden muss.

Mag sein, dass diese Debatte alle Jahre wieder geführt wird – und alle Jahre wieder verpufft, sobald die Stadtreinigung den letzten Raketenmüll von der Straße gekratzt hat. Mag sein, dass ein Verbot seitens des Ordnungsamts und der Polizei in einigen Kiezen in Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain nur schwer durchsetzbar wäre. Aber das ist kein Argument dafür, diese Diskussion nicht trotzdem immer wieder zu führen. Und zwar am besten schon ein paar Tage früher als kurz vor knapp – denn der Vorwurf, dass alles andere vor allem nur PR für den Verbotsforderer ist, ist ja durchaus berechtigt. Nächstes Jahr ist wieder Silvester.

nein,

Auf geht‘s, ab geht‘s, drei Tage Krach! Foto: Anadolu Agency/getty

Von Erik Peter

Verletzte, Brände, Müll, Geldverschwendung, Mackergehabe: Na klar spricht viel gegen das Knallen an Silvester. Ebenso viele Argumente lassen sich allerdings gegen Vollzeitarbeit, Sex in Dark­rooms und Wochenendtrip-Flugreisen finden. Gibt es alles trotzdem. Die so sicher wie der Jahreswechsel wiederkehrenden Böller-Verbotsdebatten sind daher vor allem eines: überflüssig. Denn sie spiegeln die Realitätsferne und Abgehobenheit der Verbotsapostel wider.

Es sind nicht die linken Weltverbesserer, die ihr Geld lieber an SeaWatch spenden (IBAN: DE77100205000002022288) und nicht die Veganer mit Sorge um das Trommelfell der Stadtbiber, die an Silvester die Raketen aufsteigen lassen. Es ist die Mehrheit der Bevölkerung. Viele, die sich nicht ständig um das große Ganze Gedanken machen, weil sie mit ihrem täglichen Leben genug beschäftigt sind. Für viele von ihnen ist es – verstehe das, wer will – geradezu ein Bedürfnis, 50 abgesparte Euro für Chinaböller und Kanonenschläge auszugeben. Zum Ende des Jahres einmal lauthals hoffen, dass es im nächsten besser wird.

Die Verbotsbefürworter haben es sich heimelig gemacht in ihrer Blase des Guten und Reinen. Teil ihrer Blase ist leider viel zu oft auch ein Unverständnis, mitunter eine Verachtung der Unterschicht. Viele der Debatten um gendergerechte Sprache oder fahrradfreundliche Städte sind von diesem Begleitgefühl geprägt: dem Pöbel die bessere Welt erklären, notfalls verordnen. Dabei sollten die mit rechtem Populismus angestachelten Trotz- und Wutbürgerbewegungen der letzten Zeit doch zur Vorsicht mahnen.

Schlussendlich kann man sich jedoch darauf verlassen: Ein Verbot ist nicht durchsetzbar. Wenn es die Ordnungsliebhaber brauchen, bitte sehr. Wer dagegen knallen will, wird es weiter tun. Und wenn die Finger vom Böllern kalt sind, wird der Joint in der nächsten Kneipe helfen. So viel zum Thema Verbote.