Kommissarinnen kippen Quote

GENDER Die EU-Frauenquote für Aufsichtsräte wird voraussichtlich stark aufgeweicht. Viviane Reding kämpft weiter, doch die Aussichten sind trübe

BRÜSSEL taz | In der EU-Kommission herrscht Katerstimmung. Die von Justizkommissarin Viviane Reding geplante verbindliche Frauenquote hat keine Mehrheit in dem 27-köpfigen Kollegium gefunden – die weiblichen Kommissare stellten sich quer.

Reding wollte in den Aufsichtsräten aller börsennotierten Unternehmen Europas eine Quote von 40 Prozent einführen. Sie sollte ab 2020 gelten, bei staatlichen Unternehmen schon ab 2018. Doch die Niederländerin Neelie Kroes und die Schwedin Cecile Malmström fielen der Luxemburgerin in den Rücken. Sie meldeten juristische und politische Bedenken gegen diesen „Eingriff in die unternehmerische Freiheit“ an. Vor allem die Liberale Kroes fordere mehr Rücksicht auf die Konzerne und ihre meist männlichen Lenker, hieß es. Die Entscheidung wurde auf den 14. November vertagt.

Doch aus der einst lautstark angekündigten Kultur-Revolution wird wohl nichts mehr. Zwar arbeitet die Brüsseler Behörde bereits an einem neuen Vorschlag. Statt einer gesetzlichen Quote werde nun aber eine flexible Vereinbarung geprüft, hieß es am Mittwoch.

Doch Reding will sich nicht mit einer weichgespülten Quote abfinden. „Ich werde nicht aufgeben“, kündigte die streitbare Kommissarin, der manche Ambitionen auf den Chefsessel in der EU-Kommission nachsagen, an. Mehrere Schwergewichte der Brüsseler Behörde wie Währungskommissar Olli Rehn und Binnenmarktkommissar Michel Barnier hätten Unterstützung zugesagt, teilte Reding mit.

Auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso steht hinter ihr. Der deutsche Energiekommissar Günther Oettinger will sich enthalten. Die Frauenquote steht und fällt also mit den Frauen – abgesehen von Haushaltskommissar Janusz Lewandowski, der Nein sagt.

Dennoch stehen die Chancen für eine gesetzlich bindende Aufsichtsratsquote in ganz Europa schlecht. Denn selbst wenn die Kommission sich doch noch einigt, müssen danach die EU-Länder zustimmen. Und Deutschland ist dagegen – auch in der Koalition sind sich die Frauen nicht einig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte einen entsprechenden Antrag vieler CDU-Frauen im September abgebügelt.

Die Europa-Grünen kritisierten den Rückzieher. „Ich bin entsetzt. Wollen wir wirklich noch 40 Jahre warten?“, fragte die EU-Abgeordnete Franziska Brantner. Solange würde es ohne verbindliche Regelung dauern, bis der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten „von selbst“ auf 40 Prozent kommt. ERIC BONSE