Bauernsohn in Elitepartei

JUGENDLIGIST Li Keqiang rückt in der KP auf, um 2013 Regierungschef zu werden

Der Ökonom Li ist keiner jener KP-Ingenieure, die politische Probleme technisch lösen wollen

PEKING taz | Auf den ersten Blick wirkt Li Keqiang wie einer dieser Technokraten, die es in Chinas Führungsriege jede Menge gibt: Fachlich kompetent, im Auftreten aber farblos. Was der Mann, der als künftiger Regierungschef gehandelt wird, denkt, ist nicht klar. Das teilt er mit den meisten seiner Kollegen: In der KP ist es nicht gern gesehen, wenn jemand mit politischen Visionen aus der Reihe tanzt.

Anders als viele seiner Spitzengenossen zählt der 57-Jährige nicht zu jenen studierten Ingenieuren, die politische Probleme vor allem technisch lösen wollen. Li Keqiang ist Ökonom. Das ist viel wert in einem Land, dessen Volkswirtschaft vor einem grundlegendem Strukturwandel steht: Die künftige Führung wird mit gravierenden Umweltschäden fertig werden und das Sozialversicherungssystem stärken müssen. „Li Keqiang werden diese Aufgaben zugetraut“, sagt Yuan Guangming, Ökonom an der Peking Universität. Li gilt als Motor des neuen Krankenversicherungsnetzes und will, dass die großen Staatsbanken mehr Konkurrenz bekommen.

Li Keqiang stammt aus einer Bauernfamilie der einst besonders armen Zentralprovinz Anhui – und schaffte als eines von wenigen Landkindern den Sprung an die renommierte Peking Universität. Dort hatte er 1982 als Ökonom promoviert. Schon während seines Studiums arbeitete er sich im Jugendverband der KP nach oben, der als Machtbasis von Staatschef Hu Jintao gilt. Li wird er zur Jugendliga-Fraktion gerechnet. Als die Armee 1989 auf die Tiananmen-Demonstranten schoss, war Li bereits hoher Funktionär.

1999 stieg er zum Gouverneur der Provinz Henan auf, 2004 übernahm er das Amt des Parteisekretärs der Provinz Liaoning. Henan – mit heute über 100 Millionen Einwohnern – entwickelte sich in seiner Amtszeit zu Chinas größter Kornkammer. Liaoning, mit seiner damals noch maroden Schwerindustrie, schloss unter Lis Ägide an die prosperierenden Küstenprovinzen im Süden und Osten auf.

Dabei hat Li keineswegs eine reinweiße Weste: In Henan etwa hatten mehr als 280.000 arme Bauern in den 1990er Jahren ihr Blut an Sammelstellen verkauft. 25.000 Menschen infizierten sich mit HIV. Als Li dort Parteichef wurde, setzte er wie schon sein Vorgänger alles daran, den Skandal zu vertuschen. FELIX LEE