Abkehr von der Porsche-Mentalität

In höchster Personalnot gewinnt Hannover 96 mit 2:0 gegen Frankfurt – dank eines geläuterten Jiri Stajner

HANNOVER taz ■ Der Porsche, mit dem er nach dem Heimsieg davonbrauste, ist ein letztes Relikt aus seiner wilden Zeit. „Damals, das war zu viel Party und zu wenig Fußball“, sagte Jiri Stajner und lächelte. Heute, das ist weniger Party und schön anzusehender Fußball. Stajner führte Hannover 96 mit seinem Tor und seiner Vorlage zum Treffer von Chavdar Yankov zum 2:0-Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt.

Den Niedersachsen fehlen derzeit zehn verletzte Profis, aber sie sind immer noch ungeschlagen, und ihre Fans staunen vor allem über Stajner. Vor einem Jahr noch wollten sie ihn in Hannover davonjagen, weil er sich einen Patzer nach dem anderen erlaubte und alles andere als professionell auftrat. „Aber jetzt habe ich abgenommen und darf regelmäßig spielen“, sagte der 29-Jährige, der gegen die Eintracht auch das für 3,5 Millionen Euro verpflichtete 96er-Sturmduo Thomas Brdaric und Vahid Hashemian ausstach.

Stajner war am Sonnabend vor 35.166 Zuschauern in der Hannoveraner Arena jenes kreative Element, das für die Entscheidung in einer niveauarmen Bundesligapartie sorgte. „Wir haben ordentlich gespielt, sind vor dem gegnerischen Tor aber noch zu unerfahren“, meinte Eintracht-Trainer Friedhelm Funkel, dessen Team den Gastgeber durchaus in Verlegenheit gebracht hatte. Aber im Sturm blieb Ioannis Amanatidis beängstigend harmlos. Und Hannover 96 erzielte zu den richtigen Zeitpunkten die Tore und hätte am Ende deutlich höher gewinnen können.

Trainer Ewald Lienen lässt wie in der Vorsaison aus einer gesicherten Defensive heraus vorsichtig kombinieren. Nationalspieler Per Mertesacker, in den vergangenen Länderspielen in die Kritik geraten, fand zur gewohnten Sicherheit zurück. Und vorne trickste Stajner nach Herzenslust. Der erste Heimsieg in der neuen Saison kam zum Einstand des neuen Präsidiums gerade recht. „Der Stajner war überragend. Ich liebe diesen Jungen“, schwärmte Klubchef Götz von Fromberg, der Martin Kind abgelöst hat und sich nun auf seinen ersten ganz großen Auftritt in der Bundesliga freut. Der Promi-Anwalt und Kanzlerkumpel reist am Sonnabend mit Hannover 96 zum Gastspiel beim FC Bayern München. „Das Schöne ist“, meinte von Fromberg, „dass dort niemand etwas von uns erwartet.“ Für Angreifer Stajner ist dies das Signal, wieder Finten und Hackentricks auszuprobieren, mit denen er manchmal den Gegner, meist aber sich und seine Mitspieler überrascht. Man liebt ihn in Hannover, weil bei ihm im Doppelpass zwischen Genie und Wahnsinn immer etwas Kurioses passiert.

Als Jan Simak noch in Hannover wirbelte, zog Stajner mit seinem Landsmann regelmäßig um die Häuser. Im Dezember 2003 zettelte er in einer Diskothek eine Schlägerei an. Seine Freundin, die es damals zu verteidigen galt, hat Stajner mittlerweile geheiratet. Seine überschüssige Energie stellt er, sehr zur Freude des Trainers Lienen, der Mannschaft zur Verfügung. Die Fans, im Stadion mit Hilfe einer Happy Hour an den Bierständen glücklich gemacht, feierten ihren Liebling. „Ich bin einfach ein guter Fußballer. Man muss mich nur lassen“, meinte Stajner und genoss das Bad in der Menge.

CHRISTIAN OTTO