„Ich war ja nicht allein“

LOTHAR BISKY zitterten die Knie bei seiner Rede

„Mit zittrigen Knien bin ich zum Lastwagen und auf die Bühne. Vor vielen Menschen zu sprechen war ich zwar gewohnt als Dozent, aber das war dann doch was anderes. Ich habe alle Amtsinhaber in der DDR aufgefordert, sich demokratisch legitimieren zu lassen. Dazu fühlte ich mich berechtigt, ich hatte mich als Rektor der Filmhochschule auch wählen lassen. Und dann habe ich gefordert: Lasst die Studenten ran, sie sollen ihre Sachen in eigener Verantwortung machen dürfen. Dazu stehe ich auch heute noch, zu jedem Satz. Dann bin ich mit immer noch zitternden Knien wieder von der Bühne runter.

Ich war froh, dass ich mich nicht habe davon abbringen lassen zu sprechen. Freunde hatten vorher versucht, mich davon abzuhalten. Sie haben es gut gemeint, man wusste ja nicht, wie das ausgeht. Nach meiner Rede war ich kurz auf einen Kaffee in dem Café, in dem die anderen Redner waren. Ich kannte die meisten nicht. Was hatte ich mit Gysi zu tun? Zu Hause habe ich dann telefoniert und gehört, was weiter passiert ist. Meine Studenten waren auch auf dem Alex. Ich habe mir Sorgen gemacht, man wusste ja nicht, ob es nicht noch turbulent werden würde. Meine Familie hatte ich deswegen auch nicht mitgenommen. Aber ich war ja nicht allein, meine Studenten waren ja überall und filmten.“ PROTOKOLL: BOE

Lothar Bisky

Geboren 1941, studierte Kulturwissenschaften in Leipzig. 1963 wurde er Mitglied der SED, 1990 gehörte er der Volkskammer an.