Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Benebelt durchs Jahr
Die Ankündigung zum Dokufilm „Chemsex“, der eine eben so genannte Praxis in der Londoner Schwulen-Szene zum Thema hat (6.1., 22 Uhr, B-Movie), wartet dieser Tage auf mit dem reichlich lakonischen Satz: „Die Beteiligten betäuben sich mit allerhand Drogen und haben danach Geschlechtsverkehr“. Nüchterner geht es kaum, sagt man da spontan und hat dem letztlich tragischen Geschehen auf diese Weise sogar noch einen eigenen ironischen Dreh hinzugefügt.
Und genau so geht es jetzt weiter durch das ganze Jahr: mit einer Mischung aus Präzision, Entschlackung und – mal bewusst hergestellter, mal unfreiwilliger – Benebelung. So zum Beispiel auf der Homepage der Hamburger Hafencity. Während es sich bei diesem Stadtteil für die einen um ein lebloses Konglomerat handelt, in dem weiterhin nur Brückenspinnen den Elbphilharmonie-Besuchern ins Gesicht fallen, wird hier fein- und hintersinnig erklärt: „Die HafenCity ist in Teilen bereits zu einem lebendigen Stadtteil geworden“.
Dass dazu Institutionen wie die MS Stubnitz beigetragen haben, gehört zu dem ironischen Teil der Geschichte. Das Schiff war nämlich zuerst da und wird in seinem Standort vom Vitalisierungsgeschehen vor sich hergetrieben. Mittlerweile liegt es ganz am Rand, am Baakenhafen, und irgendwann – wenn auch dort alles schön lebendig geworden ist und die Kreuzfahrtschiffe glücklich tuten – wird es eben in leblosere Gefilde tuckern müssen.
Bis dahin freuen wir uns noch über diverse interessante Veranstaltungen. Zum Beispiel mit Ikonen der Düsternis namens Scott Kelly, die ihre Akustikgitarren rausholen (11.1., 20 Uhr, MS Stubnitz). Kelly, mehr bekannt als Mitglied der stilbildenden Post-Harcdore/Post-Metal Band Neurosis, knarzt und brummt hier mit äußerst schmalen Mitteln durch die Nacht und schafft es am Ende gar, noch dunkler als der alte Johnny Cash zu klingen. Und im übrigen auch nicht weniger spirituell.
Eine ganz andere Form des Spirits präsentieren Thomas Ebermann und Kristof Schreuf an einem „Abend mit guter und schlechter Musik“, wie es programmatisch in der Ankündigung heißt. Kurz gesagt geht es hier darum, dass sich die Beteiligten mit „Firmenhymnen“ (12.1, 20 Uhr, Polittbüro) betäuben und auf diese Weise lustvoll mit ihrem Arbeitgeber verschmelzen, also auch eine Art Sex haben. Das guckt und hört man sich besser ganz nüchtern an.
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