Kämpfen um den nächsten Frühling

SPD-Ministerpräsident Kurt Beck ringt in Rheinland-Pfalz nicht nur um die künftige Regierung in Berlin, sondern auch um seine eigene Wiederwahl im kommenden April. Nach aktuellen Umfragen hätte Rot-Gelb in Mainz derzeit keine Mehrheit

AUS NEUWIED KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Eins, zwei, drei im Sauseschritt läuft der Beck – wir laufen mit. Zum Beispiel am vergangenen Donnerstag durch die Fußgängerzone von Neuwied am Rhein. Die Parole des rheinland-pfälzischen Regierungschefs bei 31 Grad im Schatten: „Jacken aus!“ Und dann rein ins nächste Obst- und Gemüsegeschäft.

Die Hände der überraschten Kundinnen schütteln, die Chefin für das breit gefächerte Angebot loben – aber dann keinen Cent im Sack haben, um sich auch nur einen Apfel kaufen zu können. Merke: Ministerpräsidenten haben kein Bargeld bei sich. Überfall zwecklos. Die Mitarbeiter zücken goldene Kreditkarten – doch Beck ist schon wieder draußen auf der Straße. Der 56 Jahre alte Regierungschef drückt die Hände von Eiscafébesuchern, klopft älteren Männern auf der Straße nach kurzem Plausch jovial auf die Schulter und umarmt auch schon einmal heftig ihm bekannte Frauen und Männer vom sozialdemokratischen Ortsverein.

Beck führt derzeit einen Doppelwahlkampf. Im Frühjahr wird in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt. Doch während die Prozentzahlen für die SPD im Bund aktuell steigen, rutschen die Sozialdemokraten im Land überraschend ab. Nur noch 35 Prozent würden sich nach einer Umfrage im Auftrag des Südwestrundfunks für die SPD entscheiden, wenn am kommenden Sonntag auch Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz wären. Und die CDU würde auf 43 Prozent zulegen, trotz ihres blassen Frontmanns Christoph Böhr. Da Becks Koalitionspartner FDP bei 8 Prozentpunkten stagniert, wäre nach diesen Zahlen die Mehrheit für die rot-gelbe Regierungskoalition im Land perdu.

Beck ficht das noch nicht an. „Alles Quatsch!“, sagt er im Gespräch vor dem Wahlkampfauftritt zu den aktuellen Umfrageergebnissen. Und auch, dass er davon überzeugt sei, nach der Landtagswahl mit der FDP weiterregieren zu können. Das wäre dann die vierte Legislaturperiode unter Beck. Kohl’sche Dimensionen im Stammland des Altkanzlers.

Doch woher nimmt Beck seinen Optimismus? Daher, dass sich die Linkspartei bis zum nächsten Frühjahr vielleicht schon totgelaufen hat? Dass am nächsten Sonntag Union und FDP die Bundestagswahl gewinnen und die SPD dann vom Protest gegen Berliner Zumutungen profitiert? Daran aber will Beck noch nicht einmal denken. Bis zum Sonntag, sagt er, komme die SPD noch auf knapp unter 40 Prozentpunkte. Dann würden die Karten in Berlin völlig neu gemischt.

In seiner Wahlkampfrede wettert Beck nicht anders als der Bundeskanzler gegen den „Professor aus Heidelberg“, der Menschen „wie Kraftfahrzeuge“ besteuern wolle. Der Applaus der 300 Zuhörer in Neuwied ist ihm sicher. Und auch bei Becks harscher Kritik an der CDU-Kopfpauschale, die einem gut verdienenden Ministerpräsident gleich hohe Kassenbeiträge abverlange wie seiner Sekretärin, wird lange geklatscht. Beck bekundet seine Solidarität mit den Genossen in Berlin, lobt „das Staatsmännische“ am Kanzler, dem Merkel nicht das Wasser reichen können.

Nur von der Linkspartei kein Wort. Allenfalls indirekt macht Beck die Formation zum Thema, die sich in Rheinland-Pfalz nach Umfragen vier Prozent der Stimmen erhoffen kann. Die Menschen in Deutschland sollten „denen“ nichts glauben, die das Blaue vom Himmel herunter versprächen und suggerierten, dass alles so bleiben könne wie es ist. Mit „denen“, erläutert der Ministerpräsident, würde „unser Land in Europa und in der Welt weiter zurückfallen“.

Noch muss sich Beck wohl tatsächlich keine ernsten Sorgen machen. Seine Popularität im Land ist ungebrochen, auch wenn CDU-Kandidat Böhr bei den Sympathiewerten langsam aufholt. Gemessen auch der Durchschlagskraft der Wahlkampfauftritte hängt er die „Schlaftablette Böhr“ (SPD) noch immer um Längen ab. Und im Kontakt mit den Menschen ist Beck, der sich gern pfälzisch-jovial gibt, ohnehin im Vorteil. Ganz unabhängig von den Botschaften.

Und Angst davor, dass ihm im Land die FDP von der Fahne gehen könnte, hat Beck auch nicht. „Die FDP ist immer dort, wo die stärkste Fraktion zu finden ist. Und in Rheinland-Pfalz ist und bleibt das die SPD. Basta.“