wortwechsel
: Anstoßen auf ein neues Debattenjahr

Leserinnen und Leser haben uns auch im Jahr 2017 wieder mit vielen kritischen und lobenden Zuschriften begleitet. Die Redaktion für Briefe aller Art bedankt sich dafür

Weiter geht's mit Krach und Lichtspiel. Brandenburger Tor 2017 Foto: reuters

Ein Traum

Guten Regierungsrutsch

Bin ratlos. Mag keine Nachrichten und keine Talkshow mehr sehen. Eigentlich ist es mir schon egal, wer wann welche Regierung bildet. Geht doch auch so ganz schön. Aber vorgestern Nacht habe ich etwas Komisches geträumt:

So Anfang April 2018 war es mit der Regierungsbildung plötzlich ganz schnell gegangen. CDU, SPD und GRÜNE hatten einen Koalitionsvertrag geschlossen. Ganz ohne eckige Klammern. Gab es überhaupt noch ernsthafte Streitpunkte? Ende März hatte die CSU getan, was sie schon immer mal wollte: Sie hatte die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufgekündigt. Irgendein Mann in der Parteispitze hatte das durchgesetzt. CSU und CDU waren fortan bundesweit getrennt angetreten. Schon bei der Bayernwahl im Herbst 2018 hatte sich das ausgezahlt. Die CSU fuhr wieder eine satte Mehrheit ein. Sie musste auf die Schwesterpartei oder gar auf die SPD keine Rücksicht mehr nehmen. Rechts von ihr war nun kein Platz mehr. Die AfD war baden gegangen. Die CDU, die ihrerseits auch nicht mehr auf die Schwesterpartei schielen musste und sich so der SPD weiter annähern konnte, war in Bayern aus dem Stand stärkste Oppositionspartei geworden. Sogar noch knapp vor den Grünen. Ein paar versprengte Wirtschaftsliberale waren schon vorher zur FDP gewechselt. Die SPD hatte übrigens die Fünfprozenthürde locker genommen, war sozialdemokratisch geworden und hatte sich mit der Linkspartei wiedervereinigt.

Ich wollte so gern wissen, wie es dann weitergegangen ist, aber mein Wecker …Werde wohl doch weiter Nachrichten und Talkshows sehen. Jochen Neidhardt, Goslar

Jammermänner

„Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?“, taz vom 27. 12. 17

Sehr geehrter Herr Küppersbusch,

wenn Ihnen auf die systematische sexuelle Ausbeutung von Frauen nur das übliche Männergejammere einfällt, ist das traurig. Vielleicht sollte man noch mehr Frauen vergewaltigen, das würde einen Ausgleich bezüglich der Selbstmordrate bei Männern schaffen.

Und wenn Sie mit dem alten Thema der unterschiedlichen Lebenserwartungen daherkommen: Ja, dieser Unterschied ist gesellschaftsabhängig. Eine Studie mit Männern- und Frauenklöstern hat ergeben, dass die Lebenserwartung bei gleichem Lebensstil sich angleicht. Das betrifft vielleicht auch den Konsum von Alkohol, Zigaretten und rotem Fleisch. Und das Verhalten im Straßenverkehr.

Männer haben oft eine geringere Frustschwelle, verlieren bei Schicksalsschlägen schneller den Halt und enden auf der Straße. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass Männer benachteiligt sind, sondern dass wegen ihrer privilegierten Stellung einfach nicht auffällt, wie viele vor allem psychisch sehr hilflos sind und trotzdem wichtige Posten besetzen, auf denen sie dazu beitragen, unseren Planeten kaputtzumachen. Also bitte, liebe Jammermänner: Verteufelt nicht die Emanzipation, sondern emanzipiert euch endlich selbst! Das wäre für beide Geschlechter hilfreich. Elke Huber, Freising

Luzide Satiren

„Deine Mudda macht Volksverhetzung“,

taz vom 22. 12. 17

Wir lieben Hengameh Yaghoobifarah und würden gern viel öfter Texte von ihr lesen! Diese scharfsinnigen, geschliffenen Gesellschaftsanalysen, diese luziden Satiren, diese stilistischen Höhenflüge sind ein einziger Genuss! Hengameh hat den Mut, Missstände beim Namen zu nennen. Nachdenklich und feinsinnig legt sie den Finger in die Wunden aller heteronormativen Kartoffeln. Ihre Texte heben das Niveau der taz ungemein.

Gabriele Frydrych und Peter Lassau, Berlin

Ein dickes Danke!

Sexualität und Gender

Liebe taz, eure Beiträge zu allen Debatten rund um Sexualität und Gender sind richtig spannend – hier ein dickes Danke!

Birgit Kübler, Regensburg

Alltägliches Grauen

„Eskapismus und Trotz“, taz vom 21. 12. 17

Irgendetwas muss da gründlich schiefgelaufen sein, als Jens Müller den Film über Erich Kästner gesehen hat. Um schönes Nazigrauen zu erzeugen, bedarf es nach seiner Ansicht dramatischer Bombennächte, vermutlich noch das eine oder andere KZ-Bild mit ausgehungerten Gestalten. Alles in Schwarz-Weiß, natürlich. Die im Film gezeigte Bücherverbrennung, die Zerstörung des jüdischen Friseurladens, die ständige Überwachung und Denunziation bis in die Familie hinein, das Verschwinden von Nachbarn und Bekannten, der verzweifelte Selbstmord Eric Ohsers, alles ganz easy, gell, Herr Müller. Hätten Sie locker weggesteckt. Oder wären eben mal emigriert, die anständigste Lösung. Jedenfalls auf gar keinen Fall in Deutschland überleben, pfui. All die Konflikte in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zeigt der Film auf, und damit eben auch das alltägliche Grauen, das sich täglich gegen die nur scheinbar heitere Figur des Erich Kästner stellt. Da mag das eine oder andere etwas schematisch geraten sein in dieser Erzählung. Nichts aber so widerspruchsfrei wie die Haltung dieser Rezension aus der sicheren Distanz von 75 Jahren. Sven Gormsen, Tübingen

Unfreiwillige Sexarbeit

„Viele Sexarbeiterinnen werden in die Illegalität gedrängt“, taz vom 28. 12. 17

Johanna Weber, Vorstandsmitglied im Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (bitte veröffentlicht doch mal die Mitgliederzahl dieses Vereins, besonders im Vergleich zu allen Personen, die in Deutschland Sex gegen Geld anbieten – egal ob freiwillig oder unfreiwillig!), gibt in ihrem Interview den Anschein, für alle „Sexarbeiterinnen“ zu sprechen. Es mag ja Frauen geben, die sich selbstbestimmt für dieses Gewerbe entschieden haben, aber die Mehrzahl würde ihr Geld ganz sicher lieber anders verdienen. Während meiner Zeit als Mitarbeiterin in einem Verein zur Beratung bei sexueller Gewalt haben wir der örtlichen Zeitung ein Interview (das nie veröffentlicht wurde) mit einer ehemaligen Prostituierten vermittelt, die anonym im Frauenhaus einer anderen Stadt lebte. Anlass war ein ganzseitiger Bericht über die Neueröffnung eines Bordells in dieser Zeitung, der so geschrieben war, als ob ein neuer Betrieb für Sanitärwesen aufgemacht hätte. Inklusive Rabattangebote. Kein Wort von den Schattenseiten des Gewerbes und den vielen Frauen, die dort nicht freiwillig die Beine breit machen. Von Freiwilligkeit keine Spur, nur von Gewalt und organisierter Kriminalität. Liebe taz, wie wäre es, wenn ihr Frauen eine Stimme geben würdet, die ihren „Beruf“ aus anderen Motiven als Frau Weber machen (müssen)? Stefanie Weigand, Ilsede

Das Gewaltmonopol

„Die Botschaft: Bleibt zu Hause!“,

taz vom 23. 12. 17

Liebe Frau Schipkowski, vielen Dank für Ihren Kommentar. Es ist wirklich unfassbar, wie die Hamburger Polizei zusammen mit zumindest Teilen der dortigen Justiz gegen DemonstrantInnen beim G20-Gipfel vorgegangen ist und das unvermindert weiterhin tut. Der teilweise sogar erfolgreiche Versuch, die Medien als Fahndungshelfer einzuspannen, ist erschütternd, die Veröffentlichung von zahllosen Steckbriefen von DemonstrantInnen in einem Rechtsstaat, der Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht verfassungsmäßig schützt, unglaublich. Dass nun bei Demonstrationen auch der Einsatz militärischen Geräts – Panzer – geplant ist, sprengt alle Vorstellungen von einem angemessenen Umgang der Polizei mit Demonstrierenden. So ist die Sache vom „Gewaltmonopol des Staates“ doch wohl nicht zu verstehen. Schon die Sperrung eines Großteils der Hamburger Innenstadt für NormalbürgerInnen – das sind auch Demonstrierende – war als Provokation zu verstehen. Wem gehören die Städte? Der taz generell vielen Dank dafür, dass sie an ihrer Tradition festhält, auch in größerem zeitlichen Abstand von Demos und deren Bekämpfung immer wieder zu berichten. Ingrid Pitt, Aachen