GRUNER + JAHR-BASTLER, FREISCHREIBER, „ZEIT“-FRAGEN
: Die kleine Motte und das Sommerblumengemüt

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SILKE BURMESTER

Nein, nein, nein, man kann sich seine Schlachtfelder nicht aussuchen. Auch diese Woche muss ich schon wieder vom Kampfplatz am Hamburger Baumwall berichten, wo Gruner + Jahr wohnt und wo sich am Montag nach Auskunft des Betriebsrats etwa 200 Menschen zu einer „kreativen Mittagspause“ vor der Eingangstür versammelt haben.

Nein, gebastelt wurde nicht, auch nichts Kleines für den Tannenbaum des Vorstands, sondern klassisch demonstriert gegen den weiteren Stellenabbau im Unternehmen. Betriebsrat Ralf Setzepfandt war zufrieden. Noch nie seien so viele gekommen, ihren Unmut zu äußern, durch alle Unternehmensbereiche hindurch. Sonst sei man schon froh gewesen, wenn 50 Leute kamen. Hups!, wundert sich da die berichterstattende Journalistin und fragt sich, ob bei Gruner eigentlich keiner Zeitung liest und ob die etwa 1.200 Angestellten, die nicht kamen, sicher sind, dass sie morgen noch gewollt sind. Immerhin haben die Kollegen vom Axel Springer Verlag aus sicherer Entfernung ihre Unterstützung verlauten lassen. Stimmt, das sind die, liebe taz-Medienredaktion, die gegen den Springer-Stellenabbau und „Redakteure müssen jetzt das Sekretariat ersetzen“ unglaublich laut und entschieden protestiert haben.

Immerhin stärkt das die Freien-Organisation Freischreiber, die gar nicht genug enttäuschte, wütende Exredakteure in ihren Reihen gebrauchen kann, um den Verlagshäusern ein entschlossenes Gegenüber zu sein. Ich bin ja von jeher weder enttäuscht noch wütend, im Gegenteil – ein gar Sommerblumen-gleiches Gemüt trägt mich durch den Tag. Trotzdem bin ich Mitglied geworden. Und das sage ich nicht, weil ich meine, dass das irgendjemanden etwas angeht oder interessant ist – sonst würde ich ja auch twittern, wenn ich meinen würde, die banalsten Dinge des Lebens wären interessant. „Bin heute Abend bei der Lesung von Kotz Brock, 20 Uhr, Admiralspalast“. Nein, das sage ich, damit mir nicht Interessensgewurschtel vorgeworfen werden kann, denn ich möchte auf etwas aufmerksam machen, was Freischreiber tut: eine Lesetour veranstalten. Ab 8. November lesen freie Journalisten ihre Texte in fünf Städten.

Nun wird es euch wie mir gehen, man fragt sich: Wen interessiert das? Also ich glaube, kaum jemanden. Auf der anderen Seite – wenn die „Weltreporter“ lesen, kommen auch viele Leute. Und Lesungen sind total in. Auf jeden Fall geht es darum zu zeigen, wie wichtig die Arbeit ist bzw. die Texte von Freien sind. Also lese ich auch. Aus meiner Pixibuch-Reihe „Die kleine Motte sucht das Glück“. Die anderen lesen natürlich wichtige Sachen. Die sind dann aber auch langweilig. Dafür haben die Urheber tollere Namen. BURMESTER will man ja nun wirklich nicht heißen …

Bevor ich für diese Woche ganz durchdrehe oder den Eindruck verstärke, ich stünde, wie so viele Kriegsreporter, unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen, kommt das Schätzchen noch einmal zur Sache. Die Zeit, dieses unter der Ägide von Giovanni di Lorenzo sich prächtig entwickelnde Blatt, weiß nicht, welche Richtung es einschlagen soll. Das ist das Feine an Leserbefragungen, und ich kann nur raten: mitmachen! Immer mitmachen, man erfährt so viel.

Also: Die Zeit fragt, ob ihre Leser gern gegensätzliche Meinungen zu einem Thema in der Zeit lesen möchten oder ob die Zeit einen Standpunkt vertreten soll. Tja, Giovanni, in einem ähnlichen Konflikt bin ich auch. Jetzt zum Beispiel. Finde ich es klug, das zu fragen oder peinlich, entblößend und nur ein bisschen klug? Zumal ich immer dachte, Sie wüssten, was Sie wollen!?! Und damit zurück nach Berlin!