piwik no script img

Die WahrheitMeine billigen Hosen

Kolumne
von Leo Fischer

Das Lieblingskleidungsstück korpulenter Herren mittleren Alters stirbt aus: die schwarze Jeans. Modemacher interessiert das einen Dreck.

D er moderne Modemarkt ist nicht für mich gemacht. Mit Mitte dreißig, zu kurzen Beinen und wohlgewampten 100 Kilo stelle ich eine Zumutung dar für die Modedesigner: Sie designen für elfenhafte Gespinstwesen auf Instagram. Klumpleute wie mich würden sie am liebsten ganz in Oversize-Geschäften verbannt sehen, die ihre Kunden schon mit Namen wie „Big & Strong“ beschämen.

Die meiste Zeit meines erwachsenen Lebens habe ich mich am uralten, schon von Adolf Knigge gepriesenen Modeideal „bequeme schwarze Jeans“ orientiert. Mit einer schwarzen Jeans kann man nie etwas falsch machen, dachte ich mir, man ist in Oper und Spelunke gleichermaßen gut angezogen; sie geht nie kaputt, wird selten schmutzig und wenn doch, sieht es keiner. Ich gab hier gern auch dreistellige Beträge aus; schließlich sollte die Hose ja ewig halten.

Vor einigen Jahren bemerkte ich, dass die Hersteller einen anderen Plan hatten. Dort, wo sich meine Oberschenkel berührten, kam es nun immer schneller zum scheußlichen Phänomen des Abriebs: Innerhalb weniger Wochen war das Hosengewebe durchgescheuert, bald entstanden Risse, bis schließlich der gesamte Schoßbereich der Jeans in Fetzen lag.

Anfangs kaschierte ich das Problem, kaufte heimlich neue Hosen desselben Modells; versuchte breitbeiniger in ihnen zu gehen. Ich zwang meine arme Mutter, die ersten Löcher mit Spezialzwirn zu nähen. Alles umsonst: Keine Gangart und kein Zwirn der Welt kommt gegen das Geschäftsgeheimnis der Jeanshersteller an: dickenfeindliche Textilien. Die ehemalige Arbeiterhose Jeans, die gegen Grubenunglücke und brennende Stollen schützen sollte, zerfällt schon bei Kontakt mit einem winzigen Fetttropfen.

In vertrauter Runde sprach ich andere Dicke auf das Thema an. Ihnen schossen die Tränen in die Augen: Endlich spricht einer mal drüber! Sie alle hatten gedacht, mit dem Problem allein zu sein, hatten sich Vorwürfe gemacht, wo sie nur Opfer einer perfiden Masche waren. Wir tauschten Tipps aus, testeten Materialien, organisierten uns im Untergrund.

Nun trage ich tagein, tagaus schwarze Hosen aus Polyethylen von C&A, Preis pro Stück: sieben Euro. Sie sind klobig, unelegant geschnitten und vollständig unzerstörbar. Und wöge ich tausend Pfund, sie hielten wacker stand, klaglos tragen sie mein Gewicht durch die Straßen.

Für festliche Anlässe habe ich noch eine gute Hose. Sie ruht in einem vakuumierten Glaskasten in einem verborgenen Kellergewölbe. Ich habe sie bisher exakt 183 Minuten getragen. Bereits jetzt ist der Stoff rissig und verfärbt. Ich denke, dass sie noch etwa 300 Minuten Lebenszeit hat, bevor sie durch eine neue ersetzt werden muss. Bis dahin möchte ich, dass sie ein glückliches und schönes Leben hat. Denn wir sind beide nur Opfer geplanter Obsoleszenz.

Erst stirbt die Hose, dann der Mensch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Themen #Mode
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ich empfehle Zimmermannshosen aus dem Berufsbekleidungsladen. Kosten nur halb soviel wie Markenjeans, sind aus Baumwolle und nach wie vor sehr robust.

  • Das ganze Drama hat sich bei Frauenhosen teurer Marken schon ewig abgespielt, egal ob Jeans oder "Stoffhose". Je teurer, desto schneller kaputt! Eine Hose, von der ich einst nicht eingesehen habe, sie zu entsorgen, ist mitten auf der Arbeit (Horror!!!) vom Schritt über das Gesäß bis zum Bund neben (!!!) der Nahr aufgeplatzt. Zum Glück trage ich lange Shirts und Jacken, bin aber sehr, sehr gerade und unbeweglich gegangen. In großen Größen bekommt man ja nichts mal eben im nächsten Laden gekauft.

    Jetzt kaufe ich billigste Jeans bei KIK und die halten ewig.

    Das mag politisch unkorrekt sein, aber wenn kein politisch korrrekter Hersteller Kleidung produziert, die hält, dann bleibt nicht viel andere Wahl. Ob KIK oder C&A...

     

    Das nächste Thema wäre der Modeterror zu Farben, Hosen- oder Jackentaschen (brauchen Frauen nicht, gab es schon einen taz-Artikel zu) und Schnitten. Besonders die Schnitte an einer neuen Hose begreife ich nicht. Ich kann auch eine Hose abnutzen, die geht dann von alleine kaputt. Aber eine kaputte Hose kaufen? Klaffende offene Knie im Winter? "Der Käufer" entscheidet halt. Und die Dummheit stirbt niemals aus.

    • @Boiteltoifel:

      Nunja - "& wenn es Mode würde - sich die Nägel blau zu haun …"

      Auch wieder wahr.

       

      Geplatzte Hose¿!;)

      Mal beim ollen W.B. & Knopp nachblättern & in höchst bester Gesellschaft ~> Preußens noch was unbetucht.

      Dem späteren Soldatenkönig mit Vaddern auf Brautschau (nicht nur at.

      "tu felix austria nube" - gell!;) -

      & däh aufen Stutz ~>

      Potzsapperment - platzte de Butz.

      &

      Ne zweite nicht am Start.

      KIK C&A grad nicht auf!

      Schnauf. Mann verließ die Lande.

      Nix war's mit di zart e Bande!;))

      • @Lowandorder:

        btw

         

        "...Rums! – Der Franz entfernt die Bank,

        So daß Knopp nach hinten sank! –

        Zwar er hat sich aufgerafft,

        Aber doch nur mangelhaft.

        Und er fühlt mit Angst und Beben:

        Knopp hier hat es Luft gegeben! -

         

        Schnell verläßt er diesen Ort

        Und begibt sich weiter fort."

         

        (ps O`wie lacht & fein - &

        Ein Hut - kann da sehr nützlich sein!;)

        http://gutenberg.spiegel.de/buch/tobias-knopp-4169/17

        Alles: Aus der Kategorie -

        " Prügel machen frisch & kregel & erweisen sich probat -

        Ganz besonders vor der Tat!"

        Insofern - Guten Rusch!;))