: Tentakel unterm Tannenbaum
Gruseliges zum Fest der Liebe: Als weihnachtliches Sonderprogramm zeigt die HamburgerReihe „Bizarre Cinema“ zwei Filme nach Vorlagen des US-Horrorschriftstellers HP Lovecraft
Von Alexander Diehl
Dass er ein ganz Großer sei, nämlich „neben Edgar Allan Poe der Klassiker der modernen Horrorliteratur“: So vollmundig bewirbt den US-amerikanischen Autor Howard Phillips Lovecraft (1890–1937) gerade der Verlag S. Fischer. Man wäre da aber auch gleich bei einem bedeutenden Unterschied: Poe ist nie nur als Horrorliterat zur Kenntnis genommen worden, sondern hat gleich noch den modernen Detektiv erfunden (wenn nicht überhaupt die literarische Moderne mitangeschoben).
Lovecraft aber, so produktiv er war, so durchdacht auch seine fantastische Welt – inklusive erfundener verbotener magischer Bücher („Necronomicon“) und einer ganzen Riege dunkler, tentakelbewehrter Gottheiten: Seine Geschichten landeten in einschlägigen Schundmagazinen, und zu Lebzeiten dachte Lovecraft niemand irgendeinen Klassiker-Rang zu.
Daran hatte sich 1963 nicht viel geändert, als Roger Cormans Lovecraft-Verfilmung „The Haunted Palace“ herauskam, die jetzt von der verdienstvollen Reihe Bizarre Cinema auf die vorweihnachtliche Leinwand des Hamburger Metropolis-Kinos gebracht wird. Vermarktet wurde der Film damals ausdrücklich als Poe-Verfilmung: Zwischen 1960 und 65 legte Corman, dieser Impresario des B-Movies, insgesamt acht Poe-Filme mit Vincent Price in Hauptrollen vor. Bei diesem hier allerdings bestand der Poe’sche Anteil einzig in Gedichtauszügen, die die Handlung rahmen.
Wie so oft drehte der deutsche Verleih noch an der Irrwitzschraube, und aus „The Haunted Palace“ wurde ohne jede inhaltliche Grundlage „Die Folterkammer des Hexenjägers“, denkbar weit weg von der Nüchternheit der Vorlage: „Der Fall Charles Dexter Ward“. Diesen gibt, klar, Vincent Price, und ebenso noch seinen Vorfahren Joseph Curwen: Dieser ist in den Augen der verängstigten Bewohner des Örtchens Arkham mit dem Teufel im Bunde und wird deshalb verbrannt, nicht ohne noch alle Beteiligten zu verfluchen, was die ganze Chose überhaupt erst in Gang setzt.
Auf den gemütlich angestaubten Dreispitz- und Fackelschein-Grusel aus den 1960ern folgt gut 20 Jahre jüngerer Horror: „From Beyond“ – fürs deutsche Publikum gab es noch „Aliens des Grauens“ oben drauf – verlegt die Handlung der Kurzgeschichte „Von Jenseits“ aus dem Jahr 1920 in die Mitte der 80er-Jahre, fügte einen zweiten Protagonisten bei – und dichtete der Erfindung, von der die Story handelt, eine luststeigernde Wirkung an (Sexszenen!), die Lovecraft sich nie erlaubt hätte.
Innerhalb seines Genres durchaus vorzeigbar, hatte der Film lange das Pech, im Schatten von „Re-Animator“ zu stehen: Damit hatte derselbe Regisseur, Stuart Gordon, bereits eine mehr beachtete Lovecraft-Bearbeitung hingelegt.
Umso verdienstvoller, dass „Bizarre Cinema“ nun dieses hässliche Entlein zur Aufführung bringt – im Original und als 35-mm-Kopie.
Fr, 22. Dezember, 20 + 22.30 Uhr, Hamburg, Metropolis
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