PLÜSCHTIERSÜCHTIG
: Sic semper tyrannis

Sie scheint Panik davor zu haben, dass man ihr nicht zuhört

Ich bereite den Tee zu, während sie ausführlich und narzisstisch über ihr Problem monologisiert. Wie so viele andere Menschen scheint auch sie Panik davor zu haben, dass man ihr nicht zuhört. Anders kann ich mir ihren latent hohen Promillespiegel nicht erklären. Denn als Betrunkener weiß man, dass man an einem Tisch mit nüchternen Menschen definitiv der lauteste sein wird, und muss sich somit nicht mehr davor fürchten, nicht gehört zu werden. Da bleibt den anderen gar nichts übrig, außer zuzuhören. Und genau so geht es mir jetzt.

Ich überlege kurzzeitig, mir den kochend heißen Tee über die Brust zu kippen, um sie unter Schmerzen zu bitten, ihren Monolog zu beenden und mich ins Krankenhaus zu fahren. So eine verbrannte Männerbrust ist ein eher kleineres Übel. Laut einer aktuellen Umfrage finden 88 Prozent der deutschen Frauen eine Männerbrust nicht besonders erotisch. Kann aber auch an den deutschen Männern liegen.

Ich vermute jedoch, dass sie einfach weiter reden wird, egal ob ich mich vor Schmerzen schreiend auf dem Boden krümme oder ihr noch einen Löffel Honig und einen Schuss Rum in den Tee gebe. Was soll sie auch sonst tun, immerhin hat sie ein ernsthaftes Problem. Sie leidet an einer akuten Plushophilie, was vorsichtig umschrieben bedeutet, dass sie süchtig nach Plüschtieren ist. In allen Farben, Formen und Größen bevölkern sie ihre Wohnung und starren vorwurfsvoll von den Regalen und Kommoden auf die wenigen leeren Fleckchen, als seien sie verärgert über jeden Zentimeter, der nicht mit rosa Bärchen oder blauen Pferden bedeckt ist.

So wie sie da sitzt, kann sie einem leid tun. Man möchte sie trösten. „Sic semper tyrannis“, rufe ich stattdessen und stoße ein Brotmesser in das Herz eines besonders drolligen Hasen. Jetzt suche ich seit einer Woche ein formgleiches Modell. JURI STERNBURG