Laptops für Einwanderer-Elite

Hochbegabte SchülerInnen mit Migrationshintergrund können sich in NRW künftig um ein Stipendium bewerben. Durch diese Elitenförderung sollen die niedrigen Abiturientenquoten steigen

aus DüsseldorfMIRIAM BUNJES

Heute will sie nur über „ganz besonders schöne Dinge“ sprechen. „Wir müssen die Leistung der Einwanderer-Kinder mehr würdigen und das tun wir jetzt auch“, ruft NRWs Schulministerin Barbara Sommer (CDU) der Landespressekonferenz entgegen und beugt sich mütterlich strahlend zu den zwei verschüchtert dreinblickenden Jugendlichen neben ihr. „Vera und Illija“, stellt die Ministerin vor. „Die ersten einer neuen nordrhein-westfälischen Elite.“

Vera und Illija kommen aus Kasachstan und Serbien und haben als zwei der ersten SchülerInnen aus Nordrhein-Westfalen das so genannten START-Stipendium der Hertie-Stiftung erhalten – weil auf ihren Zeugnissen viele Einser stehen und sie außerdem Schwimmteam und Fußballmannschaft leiten.

45 Schülerstipendien für begabte Zuwanderer werden ab sofort landesweit ausgeschrieben. Voraussetzungen: Ein Notendurchschnitt zwischen 1,0 und 2,5 und zusätzliches soziales Engagement – „Elite ist nämlich immer auch etwas Soziales“, erklärt die Ministerin. Dafür erhalten sie 100 Euro monatliches Bildungsgeld, ein Laptop mit Internetzugang und viermal im Jahr die Möglichkeit, sich in kostenlosen Seminare in Recht, Geschichte, Rhetorik oder Kunst weiterzubilden.

„Leistung muss wieder im Vordergrund stehen“, erläutert Sommer das Förderkonzept. Sie wehre sich dagegen, den Zuwanderern immer zu unterstellen, sie würden diese nicht erbringen. „Das sind Klischees, wir müssen die Intelligenzschätze unserer Einwanderer endlich besser nutzen.“ Eine Einwanderer-Elite wäre ein Riesenschritt für eine bessere schulische Integration der Migranten im Land, so die Ministerin. Durch die gezielte Förderung von Hochbegabten könne auch die Abiturquote von Zugewanderten erhöht werden.

Die Abiturientenquoten von MigrantInnen sind in Nordrhein-Westfalen tatsächlich niedrig: Etwa 30 Prozent aller SchülerInnen haben einen Migrationshintergrund. Von den Abiturienten stellen sie aber gerade mal fünf Prozent.

„Ein Stipendium ist schließlich ein Anreiz, hart zu arbeiten, denn es zeigt, dass Leistung sich lohnt“, sagt dazu die nordrhein-westfälische Bildungsministerin. „Deshalb freue ich mich auch so, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Hertie-Stiftung jetzt bei diesem wichtigen Projekt unterstützt“, sagt Sommer und zeigt strahlend ihre Zahnreihen. Wie diese Unterstützung aussieht, weiß sie allerdings nicht so genau. Nein, eine Stelle habe ihr Ministerium nicht dafür vorgesehen. „Doch“, ruft eine Mitarbeiterin im Hintergrund. „Eine ganze Lehrerstelle.“ „Ach so“, strahlt die Schulministerin weiter.

Den Großteil der Kosten – insgesamt 740 Millionen Euro – trägt die Hertiestiftung, außerdem beteiligen sich die Deutsche Bank Stiftung und mehrere lokale Sponsoren. In Bielefeld, Gütersloh und Wuppertal werden in Zusammenarbeit mit den Kommunen bereits seit 2004 15 SchülerInnen gefördert. In Bremen, Berlin und Hessen laufen ähnliche Projekte schon seit drei Jahren. „Sehr erfolgreich“, wie Stif-tungs-Geschäftsführer Roland Kaehlbrandt betont. „Man darf natürlich nie die Breitenförderung aus den Augen verlieren“, sagt er. „Das hier ist jetzt der Spitzensport.“

Beim Thema Breitenförderung verschwindet das Dauerlächeln der Bildungsministerin für einen kurzen Moment. Wie viele neue Lehrer in NRW fehlen und wie viele von den im Wahlkampf versprochenen 4.000 Stellen kommen werden, will sie nicht beantworten. Denn: „Heute soll es wirklich mal um etwas Schönes gehen.“