Kriegserinnerungen

Im Strudel des Atlantik

Es ist angenehm, am Nachmittag am Ufer auf der Seite des Urbankrankenhauses zu lesen. Der Sommer ist vorbei, nur vereinzelte Menschen sind übrig geblieben. In der Nähe sitzt ein dünner Mann in der Art von Kleidern, die oft ältere Motz-Verkäufer wählen. Oder der iranische Präsident. Also streetcredible, sandfarben und schon etwas älter.

Er liest ein Buch. Später kommt ein anderer und setzt sich zu ihm. Sie sprechen Norddeutsch miteinander, automatisch hört man Teile. Der eine fragt, was der andere lese, und dieser antwortet nach einer Weile, sein Vater sei im Krieg gefallen, abgeschossen über dem Atlantik. Aus irgendeinem Grunde sei der Vater in diesem Flugzeug plötzlich allein gewesen. Die anderen hätten Feuerschutz geben sollen, wären aber plötzlich weg gewesen. So sei er abgeschossen worden und in den Atlantik gefallen. Der sei ja bekanntlich ein Meer, das immer kühl wäre. Der Vater sei also in einen Strudel geraten – und wenn du in so einem Strudel bist, ist es schwierig, wieder rauszukommen.

Sie sprechen über den Strudel, als sei’s gestern gewesen, während ich in der Autobiografie von Marc Almond über seinen Entzug in einer Promiklinik nahe bei Canterbury lese und dass die britische Presse kaum Interesse an einer Geschichte über Tablettensucht hatte, ihm aber 100.000 Pfund bot für eine Geschichte über Aids, wenn er Aids hätte. Ein paar Meter weiter sitzt ein anderer in schwarzen Jeans und schwarzer Jeansjacke wie ich. Von weitem sieht er aus wie A. Er guckt zweimal her, so wie ich zu ihm hin. Da in seiner Nähe kein Fahrrad steht, entscheide ich mich dafür, dass es sich nicht um A. handeln kann, und lese weiter. Es könnte natürlich auch sein, dass er wegen des Krankenhauses … Ach was! DETLEF KUHLBRODT