Guten Tag, Ihre Qualifikationen, bitte!

Die BVG hat einen neuen Chef. Aber wer ist dieser Andreas Sturmowski? Und ist er der Richtige für den brisanten Job? Die taz macht ausnahmsweise mal den Kontrolletti und prüft gewissenhaft die Eignung des Aspiranten aus Hannover

VON ULRICH SCHULTE

Wie passt Andreas Sturmowski zur BVG? Zumindest ergänzt er die Corporate Identity perfekt. Sturmowski – ein Name wie eine Metrolinie (Vrrrrroooommm!).

Wer ist das überhaupt? Andreas Sturmowski verfügt über eine nicht unwichtige Schlüsselqualifikation für den BVG-Chefsessel: Er hat Ahnung von öffentlichem Nahverkehr. Der 51-jährige Diplom-Kaufmann leitet seit Dezember 2003 die Intalliance AG in Hannover, ein Nahverkehrsunternehmen mit Straßenbahnen, Bussen und S-Bahnen. Zuvor arbeitete er acht Jahre für die Bahn AG, ab 2000 leitete er deren Bereich Stadtverkehr. Zur gleichen Zeit absolvierte übrigens Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratschef Thilo Sarrazin (SPD) seine Karrierestation bei der Bahn. Der hat nun die Personalie bei der BVG federführend vorangetrieben.

Ist Sturmowski dem Job gewachsen? Schwer zu sagen. Andreas Sturmowski wechselt von der Regional- in die Bundesliga. Ein paar Zahlen: Bei der Intalliance AG arbeiten knapp 2.200 Leute, bei der BVG samt Töchtern rund 13.000. Intalliance kutschiert täglich 420.000 Fahrgäste, die BVG über 2,4 Millionen. Aber natürlich ist der Schritt zum größten Verkehrsunternehmen Deutschlands immer „ein Fall nach oben“, wie es in der Finanzverwaltung heißt. Helfen wird dem Manager, dass er – im Ton immer freundlich – andere Entscheidungsträger gut einbinden kann, wie ihm Insider bescheinigen.

Wie hoch ist der Klüngelfaktor? Ob Sarrazin seinen Wunschkandidaten, von dem er als „herausragendem Fachmann“ schwärmt, aus Bahnzeiten kennt, weiß nur er selbst. Sturmowski war als Vertreter der Bahn Ende der 90er an Diskussionen über eine Verschmelzung von S-Bahn und BVG beteiligt und hat noch Kontakte nach Berlin – zum Beispiel zum CDU-Verkehrsfachmann Alexander Kaczmarek. Gewerkschaftsvertreter im BVG-Aufsichtsrat kritisieren einen Alleingang Sarrazins: „Ich wusste vor der Sitzung nur aus der Presse, wen Sarrazin da aus dem Zylinder zaubert“, sagt Ver.di-Mann Frank Bäsler. Es habe keine Gelegenheit gegeben, sich vorher ein Bild zu machen.

Wird Bus- und Bahnfahren unter dem neuen Chef noch teurer? Mit Sicherheit. Die Finanzsituation der BVG ist so katastrophal, dass kein Vorstandschef auf teurere Tickets verzichten wird. Während der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg noch im Februar jeden Aufschlag im kommenden Jahr ausschloss, klingt dies jetzt schon ganz anders. Ausschließen könne man eine Preiserhöhung 2006 nicht mehr, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. „Schuld sind die steigenden Strom- und Dieselpreise.“

Worauf müssen sich die BVG-Beschäftigten einstellen? Sturmowskis Spielraum, Leute rauszuwerfen, ist eng. Die übergroße Mehrheit ist unkündbar. Mit der Einigung auf den neuen Tarifvertrag ist außerdem die wichtigste Entscheidung in Sachen Personal kurz vor seiner Inthronisierung gefallen. Von Hannoveraner Beschäftigten ist zu hören, dass Sturmowski in der ersten Zeit durchaus gesprächsbereit war, später aber eine harte Linie fuhr und auf Wettbewerb setzte. „Er wird ein halbes Jahr die Verhältnisse sondieren und dann die Kandare anziehen“, sagt ein Arbeitnehmervertreter. Kein Wunder. Sturmowski büffelte sechs Jahre bei der Bundeswehr auf der Offiziersschule der Luftwaffe und der internen Hochschule.

Wo sollte der Neue am besten anfangen? Die BVG ist ein Staat im Staate, mehr Behörde denn Unternehmen. Deshalb mag man Sturmowski nicht wirklich um den Job beneiden. Nur 80 Prozent der Leute, die in der BVG als Anstalt des öffentlichen Rechts arbeiten, „sind direkt mit der Erstellung der Verkehrsdienstleistung betraut“, heißt es in einer BVG-Antwort auf eine Abgeordneten-Anfrage. Das bedeutet, dass ein Fünftel, böse gesagt, Akten hin und her schiebt. Dem Fazit der BVG, bei einem solchen Verhältnis könne „nicht von einem Wasserkopf gesprochen werden“ widersprechen wir energisch. Sturmowski, übernehmen Sie.

Welche Baustelle muss er noch beackern? Er muss vor allem versuchen, die BVG-Finanzen in den Griff zu kriegen. Das Problem: Wie das gehen soll, weiß keiner. Der Verkehrsriese fuhr im vergangenen Jahr 75 Millionen Euro Miese ein. Dies ließe sich noch bewältigen. Das Hauptproblem ist aber der Schuldenberg, der auf fast 1,1 Milliarden Euro angewachsen ist. Allein dafür werden laut BVG-Sprecherin Reetz jährlich 70 Millionen Euro Zinsen fällig. Damit könnte man jedem/r HannoveranerIn ein günstiges Fahrrad spendieren. Jedes Jahr aufs Neue, natürlich.