Ein Muss für Klinsi?

Seit Sebastian Kehl wieder mitspielt, läuft es bei Borussia Dortmund besser. Das reicht zu einem 2:1 über Köln

DORTMUND taz ■ Sebastian Kehl ist passionierter Golfspieler. Das hat er mit Oliver Kahn gemein. Franz Beckenbauer regte sich kürzlich fürchterlich auf, als er den Keeper mit Schläger in der Hand statt im Tor der Nationalmannschaft sah. Auf solch prominente Fürsprache darf Kehl indes nicht zählen. Nur einer aus der zweiten Expertengarde hält große Stücke auf den Dortmunder: In Paul Breitners Nationalmannschaft, die er auf Wunsch eines Fernsehsenders zu Papier brachte, spielt Kehl als zentraler Mittelfeldmann vor der Abwehr, dort, wo er auch beim BVB eingesetzt wird. Am Sonntag war Kehl der beste Mann beim 2:1-Sieg gegen den 1. FC Köln, dem ersten Bundesligasieg der Dortmunder in dieser Saison. „Kehl: Ein Muss für Klinsi“, titelten die Ruhr Nachrichten gestern. Noch vor kurzem bemühte das Blatt den Vergleich mit einer Schnecke, wenn sie Kehls Aktionen beschrieb.

Es muss einiges passiert sein in der Zwischenzeit sein. Was genau, weiß Kehl auch nicht: „Ich habe immer versucht, im Training alles zu geben.“ Bei Matthias Sammer schien das nicht zu helfen. Unter dem ehemaligen Trainer entwickelte sich Kehl eher in die falsche Richtung. Nun aber, bei Bert van Marwijk, geht es für den 25 Jahre alten Mittelfeldspieler voran. Schon während der vergangenen Rückrunde wurde er häufiger wieder mit der Nationalmannschaft in Verbindung gebracht. „Kehl kann gut coachen“, sagt van Marwijk. Soll heißen: Er lenkt das Spiel und die Mannschaftskollegen.

Der leichte Aufwärtstrend der Dortmunder hängt mit Kehls Rückkehr zusammen. In den ersten beiden Saisonspielen und beim peinlichen Aus im UI-Cup fehlte der 25-Jährige wegen einer Verletzung. Gegen Köln aber verbarrikadierte er die Passwege zu Lukas Podolski. Der Nationalstürmer hatte nicht eine gute Szene, Köln war damit fast geschlagen. Kehl erkämpfte sich, wie vor dem 1:0, oft den Ball und verteilte ihn dann auf seine Art. Meist kurze, sichere Pässe. Nicht spektakulär, aber effektiv.

Nach dem Spiel gab sich Kehl bescheiden. „Ich habe keine Ansprüche gestellt“, sagte er zum Thema Nationalmannschaft. Das machen inzwischen andere für ihn. Kehl ist in einer komfortablen Situation. Genau wie bei den Verhandlungen um einen neuen Vertrag. „Es sind schon Gespräche geführt worden“, sagt Kehl. Bald werde es weitere und dann irgendwann eine Entscheidung geben. Im Sommer 2006 läuft sein Vertrag aus. Dortmund wird sich finanziell strecken müssen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist bereit, dies zu tun.

Bei Kehl ist zu erwarten, dass internationale Topklubs mitbieten werden. Danach sieht es bei Lars Ricken nicht aus. Der BVB erwartet eine recht schnelle Einigung mit Ricken, der seit 1990 in Schwarz-Gelb spielt und bereit ist, bei seinem Gehalt (die Rede ist von 2,4 Millionen Euro im Jahr) tiefe Einschnitte hinzunehmen. Immerhin: Der 29-Jährige hat gegen Köln mit seinem ersten verwandelten Bundesliga-Elfmeter (25.) und einem Kopfballtreffer bewiesen, dass er vom einst größten Talent des deutschen Fußballs zum hartnäckigsten Stehaufmännchen geworden ist. Und siehe da: Nach den Verletzungen der Stürmer van der Gun (Kreuzbandriss) und Buckley (Diagnose offen) genießt Ricken schon wieder den Status des Unverzichtbaren. Beim ersten Heimspiel gegen Schalke wurde er noch bei den Amateuren eingesetzt, was auf einen neuen medienwirksamen Konflikt mit van Marwijk hinauslief. Inzwischen aber haben sich die beiden wieder gefunden. Dass der Trainer jedoch extra ein Programm zusammengestellt habe, um Ricken in Topform zu bringen, dementierten beide Seiten. Van Marwijk wolle Ricken „ganz normal“ nach vorne bringen. So wie es ihm bei Sebastian Kehl bereits gelungen ist. MARCUS BARK