piwik no script img

Keine rosa Zeiten für „FT“

Wie ungerecht: Während die britische Wirtschaft immer noch wächst, kämpft die „Financial Times“ im eigenen Land mit sinkender Auflage und neuer Konkurrenz. Und die gibt’s bald sogar umsonst

aus Dublin RALF SOTSCHECK

An den Kiosken erkennt man sie sofort an ihrer Farbe. Aber die lachsfarbene Financial Times, in Großbritannien unter ihrem Kürzel FT bekannt, steckt in der Klemme: Zu wenige Menschen kaufen sie.

Als Andrew Gowers vor vier Jahren die Chefredaktion übernahm, sollte aus der FT endgültig eine globale Zeitung werden. Das ist ihm zunächst gelungen, in den USA konnte die Financial Times weiter zulegen, auch wenn sie dort mit ihren 140.000 Exemplaren im Vergleich zum Wall Street Journal mit 1,8 Millionen verkaufter Auflage ein Zwerg ist. Darüber hinaus stagniert das US-Geschäft inzwischen, während der FT in ihrer Heimat Großbritannien sogar die Käufer in Scharen davonlaufen. Unter Gowers’ Chefredaktion ist die britische Auflage um 30 Prozent geschrumpft, der weltweite Verkauf ist in den vergangenen drei Jahren von 500.000 auf 400.000 zurückgegangen. Die deutschsprachige rosa Schwester der FT, die seit Februar 2000 erscheinende Financial Times Deutschland, liegt dagegen weiterhin im Aufwärtstrend. Das Blatt durchbrach Anfang 2005 erstmals die Auflagenschallgrenze von täglich 100.000 Exemplaren, davon 60.000 im Abo.

An der Talfahrt des britischen Mutterblatts ändert dies aber nichts. Genauso wenig wie die im April 2003 verordnete Blattreform. Gowers, der für die FT von 1999 bis 2001 die FTD aufbaute, führte ein Samstagsmagazin ein und schuf mehr Platz für Features, Buchbesprechungen und Lifestyle-Geschichten. Außerdem bekam die FT eine tägliche Sportseite – und sogar Preisausschreiben. Chrystia Freeland, Gowers’ Stellvertreterin, sagt, die Financial Times erreiche noch genauso viele Menschen wie früher. Nur kaufe ein Großteil die Zeitung nicht mehr am Kiosk, sondern lese sie im Internet. 80.000 Online-Abonnenten zahlen für diesen Service, so Freeland, hinzu komme der „bemerkenswerte Zuwachs“ beim Online-Anzeigenerlös.

So hofft die Eigentümerfirma Pearson, der auch Les Echos in Frankreich, der Taschenbuchverlag Penguin sowie Anteile am Economist und die Hälfte der FTD gehören, dass die FT 2005 zum ersten Mal seit vier Jahren wieder ein ausgeglichenes Ergebnis schreibt. Im vorigen Jahr machte das Blatt noch neun Millionen Pfund Verlust, 2003 waren es rund 30 Millionen.

Schuld daran seien die bei der Papierausgabe zurückgegangenen Anzeigen sowie die schlechten Verkaufszahlen, die aber alle britischen Zeitungen treffen, meint Gowers scharfsinnig. Außerdem hat die Zahl der britischen Wirtschaftstitel weiter zugenommen. Dafür erzählt Gowers mit Stolz, dass die FT in der Schweiz gerade mal wieder zur besten Zeitung der Welt gewählt worden sei – vor dem Erzkonkurrenten Wall Street Journal. Außerdem habe keine andere Zeitung mehr besserverdienende und gebildete Leser als die FT. Diese Prozentrechnung mag stimmen. Rechnet man es aber in absoluten Zahlen, liegt die Financial Times in Sachen LeserInnen (nicht etwa Auflage) weit hinter den meisten anderen Zeitungen – 120.000 hinter dem Independent, 1,5 Millionen hinter dem Daily Telegraph. „Eine Anzeige in einem Yachtmagazin erreicht genauso viele Besserverdienende und Gebildete wie in der FT“, höhnte der Guardian.

Um den Trend zu stoppen, führte Gowers schon im April FTpm ein. Das kostenlose Nachrichtenblatt wird montags bis freitags am Nachmittag an alle Firmen mit Financial-Times-Abonnement sowie in der Londoner City verteilt und ist auf der FT-Website kostenlos erhältlich. Doch auch hier ist die Konkurrenz nicht untätig. Der Daily Telegraph hat vor kurzem den Wirtschaftschef der Sunday Times abgeworben und will die eigene Berichterstattung ausbauen. Der größte Angriff kommt aber von Lawson Muncaster: Der Mann, der bisher für die schwedische Gratiszeitungsgruppe Metro arbeitete, will noch im September eine täglich nachmittags erscheinende kostenlose Wirtschaftszeitung in der Londoner City herausgeben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen