They never walk alone

Hippen empfiehlt: In „Looking for Eric“ von Ken Loach wird die Fußball-Ikone Eric Cantona zur quasireligiösen Erscheinung eines Fans

Ken Loach hat endlich wieder einen leichteren Film gemacht, in dem die Schwachen mit Witz und Phantasie den Mächtigen eins auswischen dürfen

Von Wilfried Hippen

Einen der schönsten Lacher erntete Ken Loach gänzlich unabsichtlich beim Filmfestival von Locarno. 1990 wurde dort bei der Abendvorstellung auf der Piazza Grande seine proletarische Komödie „Riff-Raff“ vorgestellt, und der italienischsprachige Moderator hatte offensichtlich Schwierigkeiten mit der Aussprache, denn er kündigte mit feierlich sonorer Stimme den Film „Riife, Raafe“ an. Einige Cineasten haben seitdem den Titel nie wieder anders ausgesprochen, und wenn man sich in den letzten Jahren im Kino bei Loach in Filmen wie „The Wind that Shakes the Barley“ oder „It’s a Free World“ am Elend der Welt abarbeiten musste, konnte man sich an diese Verhohnepipelung des Titels erinnern und dabei an den anderen, witzigen Loach denken.

Nun wäre es interessant zu erfahren, wie wohl Eric Cantona „Riff-Raff“ aussprechen würde, denn dieser pflegt nach all den Jahren als Fußballspieler in England immer noch seinen schweren französischen Akzent, dessen subtile Zwischentöne (denn der Mann weiß genau wie er wirkt) in der deutschen Synchronfassung natürlich mit einem plump gallischen Zungenschlag wegparliert werden. Aber dies lässt sich verschmerzen, denn Ken Loach hat endlich wieder einen leichteren Film gemacht, in dem er die proletarische Solidarität feiert und die vermeintlich Schwachen mit Witz und Phantasie den Mächtigen eins auswischen dürfen.

Der schmächtige Postbote Eric ist einer von jenen Zauderern, die ständig das Schlimmste so intensiv erwarteten, dass es dann fast schon zwangsläufig auch eintrifft. Als alleinerziehender Vater von zwei schwerstpubertierenden Jungen ist er so heillos überfordert, dass er die Post, die er eigentlich austragen müsste, in die Schränke seiner Wohnung stopft und schließlich von einer depressiven Starre überwältigt wird. Das einzige Positive in seinem Leben scheint seine Verehrung des britischen Fußballgottes Eric Cantona zu sein, und als er vor dessen lebensgroßes Poster in seinem Zimmer um Hilfe betet, hat er tatsächlich eine Erscheinung. Nur er kann (wie natürlich auch das Publikum) diesen etwas älter gewordenen, aber immer noch sehr imposant wirkenden Mann sehen, der ihn nun mit Rat und Anfeuerungen bestärkt und ihm so die Stärke gibt, sich zu wehren.

Dazu reicht es im Grunde schon, wenn der große Eric den kleinen daran erinnert, dass Fußball ein Mannschaftssport ist, bei dem sich die einzelnen Spieler gegenseitig unterstützten und vertrauen. Denn genau solch ein Team hat der Postbote in seinen Arbeitskollegen, die auch alle Fußballbegeisterte sind und Manchester United, den einstigen Verein von Cantona, bei allen Spielen unterstützten. Was für eine Macht solch eine Gruppe von Fußballfans ist, die sich zwar nicht als Hooligans gebärden, aber dennoch als Masse kaum zu stoppen sind, erfährt der Gangsterboss des Reviers, der einen von Erics Söhnen unter Druck setzt und Eric in einer sehr beängstigenden Szene extrem demütigt.

Um so wirkungsvoller ist dann das große Finale mit zwei Busladungen voller Fußballfans, die mit Cantona-Masken vermummt sind. Natürlich ließ es sich der Star des Films nicht nehmen, auch eine Maske seiner selbst aufzusetzen, aber ansonsten fällt auf, wie geschickt Loach seinen Star hier im Zaum halten kann, auf dessen Grundidee der Film ja letztlich basiert. Im Mittelpunkt bleibt immer der kleine Postbote, dem schließlich seine Träume Stärke geben. Und wenn es nicht die Hymne eines anderen britischen Vereins und somit für Manchester-Anhänger Tabu wäre, könnten die Fans am Ende des Films genau passend „You’ll never walk alone“ anstimmen.