Scharons schwierige Mission: Gewinnen

Israels Premierminister Ariel Scharon kämpft nach dem erfolgreichen Abzug aus dem Gaza-Streifen gegen seinen parteiinternen Erzrivalen Benjamin Netanjahu um den Vorsitz der Likud-Partei. Verliert er, will er den Likud verlassen – seit Wochen holt er auf

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Ariel Scharon arbeitet auf Hochtouren an seinem Ziel, die parteiinternen Wahlen um den Vorsitz des Likud nicht zu verlieren. Er wolle den Likud nicht verlassen, verkündet Scharon, unter seinem potenziellen Nachfolger Benjamin Netanjahu aber auch nicht bleiben. Also muss er gewinnen – und diese Mission dürfte schwieriger sein als der Abzug aus dem Gaza-Streifen.

Innerhalb von einer Woche sprach Scharon auf drei Parteiveranstaltungen. „Netanjahu handelt verantwortungslos und angetrieben von persönlichen Ambitionen“, so wettert er gegen seinen parteiinternen Erzfeind. Netanjahu sei es, der die Partei spalte, nicht er, Scharon, der sich diesen Vorwurf in letzter Zeit wiederholt anhören musste.

Umfragen unter den Mitgliedern des Likud-Zentralrats prophezeien seit Wochen einen klaren Sieg des ehemaligen Finanzministers Netanjahu. Doch eine Wende scheint sich anzudeuten: Noch vor wenigen Tagen führte das auflagenstärkste Blatt Yediot Achronot Scharon auf Platz zwölf der Parteiliste, während die zehn ersten Plätze von Likud-Politikern besetzt werden, die den Gaza-Abzug abgelehnt hatten. Kurz darauf wiederum meldete die liberale Tageszeitung Ha’aretz, dass sich die Kluft zwischen den beiden parteiinternen Kontrahenten schließt. Elf Prozentpunkte innerhalb weniger als zwei Wochen verlor Netanjahu demnach an Vorsprung.

Abzug hin, Abzug her – der eigene Posten scheint den Parteifunktionären wichtiger. Vor allem die Minister müssen um ihre berufliche Zukunft bangen, sollte Netanjahu als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen. Denn die Likud-Mitglieder wollen zwar mehrheitlich Netanjahu, das Volk hingegen steht hinter Scharon, der heute 40 der 120 Knesset-Mandate für seine Partei holen könnte. Ganze 20 Mandate geben aktuelle Umfragen indes dem Hardliner, der aus Protest gegen den Gaza-Abzug sein Amt als Finanzminister aufgab.

Die israelische Mehrheit geht davon aus, dass der Abzug aus dem Gaza-Streifen und dem nördlichen Westjordanland noch lange nicht das Ende der Auflösung jüdischer Siedlungen ist. 54 Prozent der Bevölkerung treten für weitere Räumungen ein. 68 Prozent sind es gar, so sagen Umfragen der Yediot Achronot, die sich eine sofortige Auflösung der so genannten illegalen Siedlungsvorposten wünschen.

Die Machtkämpfe in der Regierungspartei lassen indes weitere Schritte mit der bestehenden Koalition kaum zu. Netanjahu drängt es zu baldigen Neuwahlen. Kompromisslos beharrt er darauf, noch in diesem Monat den Termin für die Kandidatenaufstellung festzulegen. Genau das kostet ihn Sympathie im Zentralrat der Partei, dem es alles andere als eilig mit einer Entscheidung ist.

Sollte Scharon entweder im November, wie es sich Netanjahu wünscht, oder im kommenden Februar bei der Wahl des Likud-Spitzenkandidaten unterliegen, blieben ihm zwei Optionen: Er macht sich mit rund einem Drittel der Parteifraktion selbständig und gründet zusammen mit den linken Parteien und den Orthodoxen eine neue Koalition, mit der er bis zum ursprünglichen Wahltermin, November 2006, weiterregiert.

Oder er wird mit Teilen der anti-orthodoxen Schinui und Teilen der Arbeitspartei eine gemeinsame Liste gründen und baldige Neuwahlen anstreben. Umfragen geben einer neuen Partei der Mitte gute Chancen. Mit Partnern wie Schimon Peres und dem liberalen Tommi Lapid hätte Scharon dann nicht nur deutlich größere Freiheiten mit Blick auf den Friedensprozess und weitere Zugeständnisse an die Palästinenser, sondern er könnte auch innenpolitische Reformen vorantreiben, allen voran die schrittweise Entmachtung der jüdisch-orthodoxen Institute.

In den Reihen der Arbeitspartei glätteten sich unterdessen die Wogen, die die beiden zerstrittenen Lager von Schimon Peres versus Expremierminister Ehud Barak über Monate aufbrausen ließen. Barak zog am Sonntag offiziell seine Kandidatur zurück und forderte die Genossen auf, sich hinter den amtierenden Parteichef zu stellen. Aktuelle Umfragen deuten auf einen enormen Popularitätsvorsprung für Peres. Problematisch ist dabei, dass Peres bei Umfragen traditionell vorne liegt, bei Wahlen jedoch bislang stets Zweiter blieb.