die woche in berlin
:

Union-Trainer Jens Keller wird überraschend gefeuert, die ersten 400 Flüchtlinge ziehen in die Wohncontainer auf dem Tempelhofer Feld, die Einweihung eines Neuköllner Spielplatzes erregt die Gemüter, und die Grünen zeigen sich in Sachen Kopftuch gespalten

Es könnte ihnen noch leidtun

Zur Entlassung von Union-Trainer Jens Keller

Union Berlin ist ein Verein, der lange damit kokettiert hat, anders zu sein: familiärer, geduldiger, weniger größenwahnsinnig als der Lokalrivale Hertha. Trainerwechsel, persönlichen Umgang, einen Aufstieg in die Erste Liga, all das wollte man besonnen angehen. Wie nervös die Verantwortlichen aber tatsächlich in puncto Erfolg sind und wie groß der selbst gemachte Druck in Richtung Aufstieg ist, hat sich am vergangenen Montag gezeigt. Völlig überraschend hat Union seinen Trainer Jens Keller entlassen. Man sehe das Ziel Aufstieg in Gefahr, so kommunizierte es der Verein. Die Entscheidung könnten sie noch bereuen.

Schon vor der Saison war offensichtlich, dass die neue Spielzeit für Union kein Durchmarsch werden würde. Eine Sensationssaison wie die letzte, in der die Köpenicker lange Spitzenreiter waren, lässt sich nicht auf Knopfdruck reproduzieren. Doch die Vereinsführung erwartete offenbar genau das. Dabei spielt Union eine gute Hinrunde. Trotz einer überraschend starken Konkurrenz steht der Verein aktuell auf dem vierten Tabellenplatz mit drei Punkten Rückstand auf die Aufstiegsränge und dem höchsten Punktestand, den er je in der Zweiten Liga sammeln konnte. Zu glauben, man würde ohne Keller so viel besser dastehen, wirkt ein wenig größenwahnsinnig.

Die Panik der Führungsriege ist erklärlich: Union hat viel in einen möglichen Aufstieg investiert. Wenn die Bundesliga diese Saison nicht erreicht wird, droht das Momentum verloren zu gehen, die Mannschaft könnte auseinanderbrechen. Mit Jens Keller aber entlässt Union den Mann, dem der Verein seinen Höhenflug in erster Linie verdankt. Der ruhige, kompetente Keller hat aus den Köpenickern ein Spitzenteam geformt. Ihn jetzt zu entlassen ist unsouverän, unwürdig und planlos. Keller selbst wird es nicht schaden: Nach der starken Arbeit in Köpenick reißt sich die halbe Bundesliga um ihn. Union dagegen muss erst mal jemanden finden, der den Job besser macht. Leicht wird das nicht. Es könnte ihnen noch leidtun, den Vater des Erfolgs vom Hof gejagt zu haben. Alina Schwermer

Grüne Angst vor der Debatte

Wie umgehen mit dem Neutralitätsgesetz?

Es gibt Grüne, die lieber an der jetzigen Fassung festhalten

Die Grünen haben es ausgesprochen eilig, das Berliner Neutralitätsgesetz aufzuweichen. Auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende beschloss die Basis mit dem Leitantrag auch einen Absatz, in dem es heißt, das Gesetz, das das Tragen religiöser Symbole durch Lehrkräfte an allgemeinbildenden staatlichen Schulen untersagt, werde von „jungen Muslima“ als „Berufsverbot“ wahrgenommen – und es lasse sich angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht mehr halten. Deshalb sei eine „lösungsorientierte Debatte“ nötig.

Diese Debatte will die grüne Spitze offenbar gar nicht führen, jedenfalls nicht parteiintern. Tage später forderten die Fraktionschefinnen den Senat auf, die entsprechende Koalitionsarbeitsgruppe zu aktivieren, die eine Änderung des Gesetzes vorbereiten soll. Dabei gibt es auch unter den Grünen genügend Menschen, die lieber an der jetzigen Fassung festhalten und (ganz im Einklang mit der SPD, namentlich den Senatorinnen Scheeres und Kolat) die umstrittene Verfassungsmäßigkeit klären wollen – durch alle Instanzen.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne mag keine allzu große Lobbygruppe innerhalb der Partei sein, aber ihr Engagement pro Neutralitätsgesetz dürfte nicht wenige SympathisantInnen haben. Und die sollten dann doch zu Wort kommen dürfen, bevor der grüne Partner seine vermeintlich monolithische Ablehnung auf den Koalitionstisch knallt.

Im Gegensatz zum Urteil des Landesarbeitsgerichts vom Februar, das in Bezug auf die Zulässigkeit der Berliner Regelung maximale Unklarheit geschaffen hat, vertreten die Säkularen eine glasklare Position: In der staatlichen Erziehung von Kindern hat ein massives religiöses Statement, wie es unter anderem ein islamisches Kopftuch darstellt, nichts verloren. Aufgrund der De-facto-Vorbildfunktion von Lehrkräften sollten diese keine gesellschaftliche Weltanschauung bevorzugen. Dafür sorgen die Elternhäuser, Peergroups oder religiösen Institutionen schon zur Genüge.

Dass das religiöse Kopftuch das Konzept einer patriarchalischen Geschlechtertrennung und die Angst vor weiblicher Sexualität widerspiegelt (was gerade von Minderjährigen nur unzureichend reflektiert werden kann), ist dabei fast nur ein Nebenaspekt. Claudius Prößer

Gekommen, um zu gehen?

Flüchtlinge auf dem Tempelhofer Feld

Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis nach einem Beschluss des Abgeordnetenhauses Anfang 2016 am Montag die ersten 400 Flüchtlinge in die neuen Wohncontainer am Rand des Tempelhofer Felds ziehen konnten. Und weit weniger als zwei Jahre werden sie dort bleiben können, denn jener Parlamentsbeschluss begrenzt diese Sondernutzung des per Volksentscheid vor Bebauung geschützten Tempelhofer Felds: Ende 2019 müssen die Container wieder weg sein.

Müssen sie das wirklich? Nach jetziger Rechtslage ja. Aber natürlich könnte das Parlament die Ausnahme verändern. Bloß haben sich seit 2016 die Mehrheiten geändert. Die SPD regiert nun mit Linker und Grünen, die damals gegen die Feldnutzung waren. Für Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek kommt eine Verlängerung nicht infrage. Sie sagte am Donnerstag, das Ganze erinnere sie an ein Flüchtlingslager im Nahen Osten.

Einzelne Wohnungen für alle rund 1.000 Flüchtlinge, die dort leben sollen, wären zweifelsfrei die bessere Variante. Die aber gibt es absehbar auch in zwei Jahren nicht. Fertig sind dann zwar die aus Beton gebauten „Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge“, kurz MUFs. Doch was ist, wenn sich hoffentlich bis 2019 Bindungen in Feld-Nähe ergeben, über die Schule der Kinder oder den Sport?

Schon bei der Räumung der Turnhallen wussten Helfer nicht immer, ob es sinnig war, dass Familien nun aus Zehlendorf in kleinteiligere Unterkünfte in den Osten der Stadt umziehen mussten, nachdem sich im Südwesten erste Kontakte im Umfeld ergeben hatten.

Entscheidend sollte nicht sein, ob sich hiesige Politiker an Nahostcamps erinnert fühlen, sondern wie die Flüchtlinge selbst die Lage am Rand des Tempelhofer Felds empfinden, das zumindest an sonnigen Tagen mit Tausenden Besuchern definitiv nicht jene „Walachei“ oder Wüstenei ist, von der Kapek spricht. Wenn die Flüchtlinge dort über 2019 hinaus bleiben wollen, sollten sie bleiben dürfen, bis sie Wohnungen in der Nähe finden – und nicht nochmals zwangsumquartiert werden und ihre neuen Bindungen verlieren. Stefan Alberti

„Entscheidend sollte nicht sein, ob sich hiesige Politiker an Nahostcamps erinnert fühlen“

Stefan Alberti über die Wohncontainer auf dem Tempelhofer Feld

Billiges Spiel mit der Angst

Die Debatte über den Halbmond-Spielplatz

Eine Neuköllner Kita namens „Ali Baba und seine Räuber“ wird vom Bezirk gefragt, ob sie sich an der Neugestaltung des Spielplatzes nebenan beteiligen wolle. Ja, klar! Die Kinder sind begeistert. Aber welches Thema soll der Spielplatz haben? Hm. Ah ja, na klar: Ali Baba! Wie die Kita, so der Spielplatz. Die Kinder sind stolz, das Bezirksamt findet die Idee auch gut. Im Zentrum des Spielplatzes soll ein Kletterturm in Form eines orientalischen Palasts stehen, auf der Kuppel: ein Halbmond.

Kaum war der Halbmond oben, ging das Geschrei los: „Besorgte Bürger“ auf Facebook und Twitter und die AfD im Bezirk vorneweg fürchteten die „Islamisierung“ des Abendlandes – Neukölln gaben die meisten bereits verloren. Der Spielplatz in der Walterstraße ist jetzt also wohl der berühmteste Spielplatz der Stadt, wenn nicht Deutschlands. Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) musste ihn am Mittwoch gar unter Polizeischutz eröffnen. Das man ihn eröffnen würde, stand freilich außer Frage, wie Giffey nochmals betonte.

Was bleibt von dem ganzen Tumult? Vor allem die Erkenntnis, wie hysterisch, „angstbehaftet“ (O-Ton Bürgermeisterin Giffey) und völlig losgelöst von jeder konkreten Bedrohungslage die Debatte über eine vermeintliche Islamisierung inzwischen geführt wird. Wer mag, kann in jedem Halbmond ein „islamisches Herrschaftssymbol“ sehen – und findet ZuhörerInnen.

Selbstverständlich ist dieses billige Spiel mit einer komplett irrationalen Angst politisches Kalkül. So viel darf man der Neuköllner AfD, die nächste Woche einen Antrag auf Beseitigung des Halbmonds ins Bezirksparlament einbringen will, durchaus zutrauen. Es geht um das Narrativ der „Überfremdung“. Ob der Halbmond da jetzt symbolisch für die Märchen aus „Tausendundeine Nacht“ steht oder für den Islam, ist völlig egal. Anna Klöpper