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Die Tränen der Pakete

Investigatives aus der brutalen Versandwelt

Paketfoto: dpa

Deutschlands Paketen geht es schlecht. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit. „Wir werden geworfen, getreten, zerdrückt, mit Bomben befüllt, von der Polizei mit Wasserkanonen beschossen, es ist schlimm!“, klagt ein Insider, der hinter seinem lose flatternden Paketband unerkannt bleiben will.

In der vorweihnachtlichen Hektik habe keiner mehr ein Auge für die inneren Werte der Pakete, weiß der Sachkenner. Pakete würden nicht mehr wie früher vor Freude geknuddelt, wenn sie eintreffen. Mit dem Boom des Versandhandels seien sie zur billigen Massenware geworden. Hätten sie früher ein hohes Ansehen genossen, seien sie heute in der Beliebtheitsskala sogar hinter Journalisten abgerutscht.

Anlass für die Klagen aus dem Inneren des Paketwesens ist ein tragischer Unfall, der sich am gestrigen Donnerstag auf der Autobahn 4 bei Olpe in Nordrhein-Westfalen ereignet hat. Ein voll beladener Lastwagen war von der Fahrbahn abgekommen und umgekippt und hatte tonnenweise Postpakete verloren. Der Fahrer blieb zwar unverletzt, aber viele hundert Pakete hat es erwischt, sie mussten noch am Ort des Geschehens von ihren Leiden erlöst werden.

Nun werden nicht nur viele Kinder umsonst auf ihre Weihnachtsgeschenke warten und bittere Tränen vergießen, von besonderer Brisanz ist der Unfall auch deshalb, weil zwischen den verstreuten Paketen auch das gesamte Team Wallraff entdeckt wurde, das glücklicherweise unverletzt aus einem Berg Pakete hervorgezogen werden konnte.

Die Investigativreporter von RTL hatten sich zuvor als Pakete verkleidet und undercover in den Versandhandel eingeschleust. Wie eines der Teammitglieder in einem ersten Interview Spiegel Online berichtete, wollte man so „die Ausbeutung und Ausgrenzung und den Hass in der brutalen Paketwelt von ganz unten zeigen“. Demnach habe man sich von Günter Wallraff höchstpersönlich in einer Kölner Postfiliale aufgeben lassen, um „die erschütternden Erfahrungen auf dem Verschickungsweg des Elends“ nach Hamburg zu dokumentieren. Zweck der investigativen Reportage sei es, die deutschen Paketempfänger aufzurütteln. Eventuell hätte man so auch den Paketbombenerpresser der DHL ausfindig machen können. Die geschundenen Pakete werden es den tapferen Geheimjournalisten sicherlich danken.

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