In Moskau ergrünen die Büros

UMWELTKAMPAGNE Greenpeace hilft westlichen Firmen in Moskau, klimafreundliche Büros zu führen. Die Umweltschützer hoffen, dass die Krise bald auch russische Firmen dazu animiert, Energie zu sparen

„Wir erklären den Leuten, dass sie den Wasserhahn zudrehen sollen“

GREENPEACE-EXPERTIN ORECHOWA

MOSKAU taz | Der gute Wille ist allgegenwärtig im Verwaltungstrakt des Moskauer Renaissance-Hotels. Neben den Bürotüren animieren Plakate mit lachenden Steckdosen zum Lichtausschalten, über den Druckern mahnen Schilder „Sparen Sie Papier!“, Bewegungsmelder schalten die Energiesparlampen ein und aus. Ihren größten Stolz präsentiert PR-Managerin Dilia Charasowa aber in den Katakomben der Vier-Sterne-Herberge: grüne Metallcontainer für Altpapier und Kartons. „Hier“, sagt die junge Frau, „haben wir auch eine Maschine zum Bündeln des Papiers.“ Mülltrennung ist in Russland eine Seltenheit.

Das 481 Zimmer große Hotel neben dem Olympiastadion gehört zu den Pionieren in Sachen Umweltschutz. Es ist eine von 40 Firmen in Moskau, die sich im Rahmen des Programms „Green Office“ von russischen Greenpeace-Mitarbeitern beraten lassen. Ein kleiner Anfang, aber beachtlich in einem Land, in dem Klimamaßnahmen von einer Mehrheit als westliche Spinnerei angesehen werden. Dabei ist Russland der drittgrößte CO2-Produzent der Welt, und nirgendwo sonst wird so viel Wärmenergie verschwendet. Im Winter glühen die zentral gesteuerten Heizkörper, wem zu heiß ist, der reißt das Fenster auf.

Im vergangenen Jahr hat Präsident Dmitri Medwedjew zwar ein Energiesparprogramm aufgelegt, und bei Prestigeprojekten wie den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 arbeitet die Regierung auch öffentlichkeitswirksam mit Greenpeace zusammen. Im russischen Alltag spielt das aber keine Rolle.

Dort setzt das Green-Office-Programm an: „Wir erklären den Mitarbeitern, dass sie das Licht ausschalten sollen und den Wasserhahn zudrehen“, sagt Koordinatorin Tatjana Orechowa. Auch über die neuesten Energiesparleuchten, Bewegungsmelder und Heizungsregler wird informiert. Für einige kleine Büros hat Orechowa gerade einen Altpapierabholdienst organisiert.

Viele Firmen wenden sich von sich aus an Greenpeace. Meist internationale Unternehmen, denen die westliche Corporate Identity ein Umweltmanagement vorschreibt. Oft merken die Manager erst nach dem Umzug nach Moskau, wie schwierig es ist, das in einer Stadt umzusetzen, wo man nicht einmal selbstverständlich chlorfrei gebleichtes Büropapier findet.

So war es auch beim Renaissance-Hotel, das zur Marriott-Kette gehört. „Wir sind ein grünes Unternehmen, aber hier in Russland ist das nicht leicht“, erklärt PR-Managerin Charasowa. Bislang beschränkt sich das Energiesparprogramm auf den Verwaltungstrakt. Nur die Energiesparlampen werden im ganzen Haus eingesetzt, und für die Gäste gibt es – auch dies in Russland nicht selbstverständlich – die Möglichkeit, die Handtücher nicht täglich wechseln zu lassen. Besonders bei deutschen Gästen komme das gut an, sagt Charasowa. Viele Russen staunten eher.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Anna Sobolewa gemacht, die Moskauer Marketing-Managerin des holländischen Teppichherstellers InterfaceFlor. „Die russischen Mitarbeiter zu erziehen, ist sehr schwierig“, sagt sie. Die meisten ließen das Licht im Flur einfach an. Andere Firmen, mit denen sich InterfaceFlor die Toiletten teilt, weigerten sich sogar, Strom zu sparen. „Warum sollten wir sparen? Wir zahlen doch pauschal.“ An dieser Einstellung werde sich nichts ändern, wenn die Regierung nichts unternimmt, glaubt Sobolewa.

Greenpeace-Projektkoordinatorin Orechowa ist optimistischer. „Die Wirtschaftskrise ist eine echte Chance für uns“, sagt sie. Mit dem ökonomischen Argument könne sie zunehmend auch russische Firmen überzeugen. Für das Renaissance-Hotel hat sich die Umstellung schon gelohnt: Der monatliche Stromverbrauch ist im Vergleich zum vergangenen Jahr um rund 20 Prozent gesunken. ANN-DORIT BOY