Preis für kritischen Philosophen

Etienne Balibar bekommt Hannah-Arendt-Preis

Von Adèle Cailleteau

Am kommenden Freitag erhält der französische Philosoph Etienne Balibar den Hannah-Arendt-Preis. Der marxistisch geprägte Professor, der mit seinen 75 Jahren immer noch in Paris, London und California lehrt, wird nur schnell aus den USA nach Bremen fliegen, um den Preis, in Höhe von 10.000 Euro, entgegenzunehmen. Er hat viel zu tun.

Der Preis ist von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Senat der Freien Hansestadt Bremen gestiftet. Er ehrt Personen, deren Wirken und Werke in der Tradition Hannah Arendts zu öffentlichem, politischem Denken und Handeln beitragen. In den letzten Jahren waren es zum Beispiel der Historiker Tony Judt oder die Pussy-Riot-Aktivistinnen Marija Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa. Jetzt ist Etienne Balibar dran.

Was macht Balibar eigentlich? „Meinen Beruf“, sagte er einmal in einem Radiointerview. Er lehrt politische Philosophie an verschiedenen Universitäten, seit mehr als 50 Jahren. Eine Philosophie, die viel mit seinem linkspolitischen Engagement zu tun hat. Balibar fühlt sich sehr geehrt, den Preis zu bekommen, weil er „Denkerin Ahrendt“ als eine Inspiration sehe.

Etienne Balibar ist im Jahre 1942 in einer republikanischen Lehrerfamilie zur Welt gekommen. Er frequentierte das intellektuelle Pariser Milieu seit Anfang der 1960er-Jahren mit seinem Eintritt in die Elitehochschule Ecole normale supérieure. In dieser Zeit tobte der Algerienkrieg, was ihn stark beeinflusste. Er nahm an Demonstrationen gegen den Krieg teil und trat 1961 in die französische kommunistische Partei ein. In dieser Zeit begegnete er auch der Idee Karl Marx’, insbesondere durch seinen Professor Louis Althusser.

Nach 20 Jahren in der Partei wurde er 1981 rausgeschmissen. Anlass dafür war ein Text über rassistische Komponenten der Partei. Ein kommunistischer Bürgermeister eines Pariser Vorortes hatte 1981 ein Lager von Arbeitern aus Mali zerstören lassen. Schon vor dieser Zeit beobachtet Balibar den Marxismus kritisch. Marx stand für ihn nicht mehr im Mittelpunkt, heute ist er als Kritiker, nicht jedoch als Gegner des Marxismus angesehen.

Über das Werk von Etienne Balibar sagt die Juryvorsitzende Antonia Grunenberg: „Seine Beiträge haben sich weit über den akademischen Diskurs hinaus an die republikanische Öffentlichkeit gerichtet.“ Seine derzeitige Beschäftigung über das Universelle und Europa ist hoch aktuell. Europa sei blockiert und solle von unten wieder erfunden werden. Dafür kämpft Balibar.