Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Ordnung diesseits und jenseits der Mundhöhle
Orte, an denen die Welt noch in Ordnung ist. Teil 1: In Hamburg wurde dieser Tage der Hamburger Musikpreis „Hans“ in verschiedenen Kategorien vergeben. Wir sind schon gespannt auf nächstes Jahr.
Teil 2: Julia Engelmann (29. 11., Mehr!-Theater). Die „Schauspielerin“, „Poetry Slammerin“, „Dichterin“, „Buchautorin“ und Musikerin musste hier wie schon in den Vorjahren leer ausgehen. Einziger Grund: Sie stammt aus Bremen und hat keine Bezüge zu Hamburg (Zweitwohnung, Sitz der Plattenfirma).
Ansonsten wäre die zweifache Preisträgerin des Bremer „Slammer-Filets“ natürlich bestens geeignet, denn lange schon hat keine „Pop-Poetin“ (Kreiszeitung Syke) mehr so polarisiert wie sie. Die einen werden, wie die FAZ feststellte, mit ihr und durch sie glücklich und feinsinnig, die anderen wahnsinnig und sogar „aggressiv“. Und das können wohl nicht mal die Straßenbande 187 (Hans-Gewinner in der Kategorie „Künstler des Jahres“) von sich sagen – also das mit dem Aggressivwerden vielleicht, aber das andere, na ja. Und mit dem „sagen“ ist es natürlich hier nicht getan. Engelmann beschäftigt sich auch mit den Gedanken und kann somit etwa feststellen: „Mit guten Gedanken ist es wie mit dem Zähneputzen: Ich denke sie jeden Tag wieder neu!“
Teil 3: Während die einen täglich ihre Zähne denken, beschäftigen sich die anderen mit der Verfasstheit der Welt jenseits der eigenen Mundhöhle. Zum Beispiel Kettcar (30. 11., Markthalle). Die sympathische Band, oft geschmäht als musikalischer Sozialdemokratismus, waren in zwei Kategorien nominiert, aber dann doch zu leise oder zu brav oder zu politisch (allerdings auch in den Vorjahren bereits reich bedacht worden).
Womit wir dann auch schon an den Orten wären, an denen die Welt ganz generell nicht in Ordnung ist. Zum Beispiel bei Billy Bragg. Seit über 30 Jahren begleitet er mit seiner Gitarre als „One Man Clash“ die Verhältnisse und steht für einen sowohl politischen als auch poetischen Gegenentwurf, der mit der Zuckergusshaftigkeit und Oberflächlichkeit viel dekorierter Popwesen nur sehr wenig zu tun hat. Das ist dann auch ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Aber ausverkauft ist das Konzert – natürlich – trotzdem schon (30. 11, Fabrik).
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