die woche in berlin
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Die Kritik am Aufbau einer privat­rechtlichen Gesellschaft für den Schulbau nimmt zu, Hertha hält an einen Stadionneubau auch außerhalb Berlins fest, geklaute Gegenstände aus dem Nachlass von John Lennon tauchen auf, und der Senat stellt sein Konzept für eine Airport City am BER vor

Stellt euch der Debatte – jetzt!

GmbH-Pläne für neue Schulbau-Gesellschaft

Tue Gutes und sprich nicht darüber. So hält es der Senat mit seiner Schulbau-Offensive. So ganz stimmt das natürlich nicht, zumal Bescheidenheit nicht zum Repertoire regierender Politiker gehört. Gesprochen wird also schon über das hehre Ziel eines der größten Investitionsvorhaben der Landesgeschichte: 5,5 Milliarden Euro für Schulneubau und Sanierung bis 2026. Schweigsam gibt man sich dagegen beim Wie.

Nicht mehr die Bezirke oder das Land sollen für die Bauvorhaben verantwortlich sein, sondern eine privatrechtliche GmbH. Weil diese Schulbau-Gesellschaft als Tochter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge konzipiert wird, weigern sich Politiker von Rot-Rot-Grün von einer Privatisierung zu sprechen. Wo keine Privatisierung, da keine Probleme – so offenbar die Logik.

Mit dieser Realitätsverweigerung läuft der Senat Gefahr, sich in eine ausweglose Situation zu manövrieren, in dem er eine Idee verteidigt, die eigenen Prinzipien zuwider läuft, und Berlin irgendwann in einem Albtraum erwachen lassen könnte. Nach den Erfahrungen der Privatisierungen der ehemals kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GSW – heute Deutsche Wohnen – und der Wasserbetriebe ist das unverständlich und unverantwortlich. Gut, dass an diesem Samstag zumindest die Linke zu einer Diskussion gezwungen wird: Ein Antrag auf dem Landesparteitag fordert das Ende der GmbH-Pläne.

Sinn und Zweck der Schulbau-Gesellschaft ist die Möglichkeit, Kredite am Kapitalmarkt aufzunehmen, geplant sind etwa 1,5 Milliarden Euro. Was für das Land, das ab 2020 der Schuldenbremse unterworfen ist, attraktiv klingt, birgt jedoch erhebliche Gefahren. Die verschuldete Gesellschaft kann nicht nur pleite gehen, sie ermöglicht es – etwa unter einer neuen Regierung – Schulgebäude an Private zu verkaufen. Zudem bedeutet die Aufnahme der Kredite eine Zinslast von mehreren hundert Millionen Euro – Geld, das für die eigentlichen Aufgaben fehlt.

Eine ähnliche Konstruktion in Hamburg zeigt, wie der Einzug marktwirtschaftlicher Prinzipien funktioniert. Errechnet wird dort der Flächenbedarf pro Schüler. Fällt ein Schulhof zu groß aus, wird die überschüssige Fläche an Investoren verkauft. Auch die zentralisierten Hausmeisterleistungen funk­tio­nieren schlechter als zuvor.

Berlin hat noch die Chance, all das zu verhindern. Auch dann könnten die Schulen fit gemacht werden: Im Haushalt steht mehr Geld bereit, als realistischerweise verbaut werden kann. Eine offene Debatte würde dies zeigen. Erik Peter

„Der Senat läuft Gefahr, sich in eine ausweglose Situation zu manövrieren“

Erik Peter über die Pläne für eine Schulneubau-GmbH

Abstimmen über Luft- schlösser

Hertha und die Pläne für einen Stadionneubau

Jetzt hat die Mitgliederversammlung am Montagabend also entschieden, dass Hertha ein Stadion weiterhin auch außerhalb von Berlin bauen darf. Obwohl letztlich natürlich gar nichts entschieden wurde, weil Hertha bislang keinen einzigen praktikablen Vorschlag vorgelegt hat, wo denn ein Stadion stehen sollte. Auf dem Olympiagelände sprechen Denkmalschutz und Platzprobleme dagegen. Ein Umbau des Olympiastadions wäre unsinnig, teuer und gegen den Wunsch der Leichtathleten. Und woanders ist kein Platz. Auch von einem Investor gibt es bislang keine Spur. Die Mitglieder führen gerade eine hochemotionale Diskussion auf sehr dünner sachlicher Basis. Sie stimmen über Luftschlösser ab.

Dass die Versammlung entschieden hat, Hertha soll nicht in Berlin bleiben müssen, ist sinnig. Der Verein könnte durchaus gezwungen sein, ins Umland auszuweichen, und würde sich mit einem Verbot jeden Spielraum nehmen. Nicht umsonst suchten die Verantwortlichen im Vorfeld der Abstimmung hektisch nach Schlupflöchern – jetzt können sie aufatmen. Die vermeintliche Mehrheit der Anti-Ludwigsfelde-Fraktion war gar keine, jedenfalls keine Dreiviertelmehrheit.

Das Hin und Her zeigt dem Fußball schmerzlich die Schwächen von Basisdemokratie auf. Volkes Stimmung ändert sich schnell. Und die Debatte um Ludwigsfelde wurde von emo­tio­nalen Argumenten à la „Hertha ist ein Berliner Verein“ dominiert – mit Rationalität und Taktik hatte sie wenig zu tun. Ludwigsfelde in der Hinterhand ist wichtig, denn Hertha hat nicht gerade viele Alternativen. In den Verhandlungen mit dem Senat schwächen die Mitglieder mit dem Hickhack ihren Verein.

Dabei gab es ironischerweise ja nichts Substanzielles zu entscheiden. Konkrete Überlegungen will der Verein erst Ende des Jahres verkünden. Geht es allerdings weiter gegen den Abstieg statt um die Europa League, könnte das die großen Pläne für den Olympiapark unversehens in einen Mini-Kompromiss mit verbesserten Mietkonditionen im Olympiastadion verwandeln. Und sagt der Senat zum Olympiagelände Nein, kann Hertha froh sein, nicht in der Satzung stehen zu haben, dass man nur in Berlin bauen darf.

Alina Schwermer

Sensation? Eher leichte Hysterie

Geraubter John-Lennon-Nachlass aufgetaucht

Die Berliner Polizei ist nicht für sensationelle Pressemeldungen bekannt – es herrscht nüchterner Beamtenton. Am Montagmorgen aber wurde eine Mitteilung publik, die innerhalb von kürzester Zeit die JournalistInnen der Hauptstadt in Aufregung versetzte.

„Gegenstände aus dem Nachlass John Lennons – Hehlerei- und Betrugsverdacht“ lautete die Überschrift. Der John Lennon von den Beatles, der 1980 von einem geistig gestörten Mann in New York erschossen wurde? Genau der! Und Berlin hat nun endlich auch eine Beat­les-Geschichte. Beziehungsweise ein Geschichtchen, denn schaut man sich die nüchternen Fakten des Falles an, wirkt das Ganze weit weniger spektakulär.

2006 wurden Lennons Witwe, Yoko Ono, aus ihrem New Yorker Appartement persönliche Gegenstände gestohlen. Darunter auch Dinge, die einst ihrem verstorbenen Gatten gehörten.

Rund 100 davon tauchten in Berlin jetzt wieder auf. Im Verdacht stand damals der Chauffeur Onos, der sich rasch in seine Heimat Türkei absetzte. Über diese Route kamen die Stücke wohl auch in die Hauptstadt – eine abenteuerliche Reise, ohne Frage. Auf der anderen Seite ist allgemein bekannt, dass Diebesgut oft Tausende von Kilometer zurücklegt und an unerwarteten Orten wiederauftaucht.

Die Tatsache, dass sich die Berliner Polizei nun mit dem Fahndungserfolg schmückt, mutet etwas übertrieben an. Es waren nämlich nicht die Ermittler, sondern das gute Gespür eines Insolvenzverwalters, welches letztlich zur Aufklärung führte. Der wurde misstrauisch, als er das Lager eines insolventen Onlineauktionshauses kontrollierte und dabei auf mehrere Kisten mit Tagebüchern, Zigaretten, Briefen und anderen Sachen Lennons stieß.

Am Montag durchsuchten Beamte das Haus des Mannes, von dem die Gegenstände an das Auktionshaus verkauft worden waren. Und siehe da, in einem der Autos des Verdächtigen fanden sie weitere persönliche Habseligkeiten Lennons, etwa eine seiner berühmten runden Brillen. Die Polizei verschickte stolz ihre Pressemeldung.

Regionale und überregionale ReporterInnen kamen auf den Geschmack – bei der großen Pressekonferenz am Dienstag war es gerammelt voll. Endlich mal positive Polizei-Nachrichten, nichts mit angeblich clan-unterwanderten Polizeiakademien etc.

Die Beatles-Begeisterung scheint 40 Jahre nach Lennons Tod ungebrochen. Musikalisch mag das durchaus berechtigt sein. Das ganze Brimborium aber, das jetzt von Polizei und Presse – auch uns – um ein paar seiner alten Brillen und Tagebücher gemacht wird, ist zu viel des Guten – selbst im leicht zu begeisternden Berlin.

Sophie-Isabel Gunderlach

Visionen trotz Desaster

Airport City ist riskant und stadtfeindlich

Es gehört eine Menge Chuzpe dazu, was Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup am Dienstag auf einem PR-Termin vor Ort so von sich gab: Was alle wissen wollten, wann der Pannen-Airport offiziell eröffnet, dazu sagte er nichts. Auch schwieg er sich aus über die neue Mängelliste, die der TÜV-Rheinland und die oberste Brandenburger Bauaufsicht aufgemacht hatten. Stellen diese doch fest, dass weiterhin „gravierende Defizite“ bei den technischen Systemen, vor allem bei den Entrauchung- und Sprinkleranlagen, bestünden. Die „Betriebssicherheit“ sei „nicht gegeben“, heißt es – ein Desaster, das Lütke Daldrup anscheinend wenig interessierte. Stattdessen: Am BER soll jetzt erst recht geklotzt und nicht gekleckert werden.

„Masterplan BER 2040“ heißt das Zauberwort. Danach ist vorgesehen, den Airport peu à peu von 22 auf 50 Millionen Passagiere pro Jahr auszubauen. Ein Terminal 2 soll gebaut werden samt einem Satellitenterminal gleich hinterher für zukünftig 121 anstelle von jetzt 70 Gates. Und eine ganze Airport City mit Hotels, Kongresssälen und Büros ist geplant – für 60.000 Arbeitsplätze. „Der Masterplan ist unsere Vision“, klotzte Lütke Daldrup.

Lassen wir einmal außen vor, ob der Masterplan als Manöver zur Ablenkung von Tegel und allen anderen BER-Abgründen gemeint sein dürfte. Interessieren soll hier auch nicht, ob 2020, 2025 oder gar nicht geflogen werden kann.

Fragen lassen muss sich der Flughafenchef aber, ob seine Wachstumsfantasien wirklich so visionär sind, wie er meint. Denn die zivile Luftfahrt ist wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen ausgesetzt. Sie ist vor Abstürzen auf dem Markt nicht gefeit, wie jüngst die Insolvenz von Air Berlin drastisch veranschaulicht hat. Eine ganze Fluglinie ist weg. Die Pleite hat Tausende die Arbeitsplätze gekostet.

Nicht visionär ist ebenso, mit solcherlei Dynamikgerede die Umwelt aus den Augen zu verlieren. Haben wir nicht CO2-Fußabdrücke genug, müssen die Jets noch mehr Emissionen in die Erdatmosphäre pusten?

Schließlich bringen Airport Citys heute keinen wirklichen Gewinn mehr für Städte – zumal wenn sie wie der BER in einem anderen Bundesland liegen. Sie sind wie die Auswüchse der „verkehrsgerechten Stadt“ der 1960er Jahre stadtfeindlich. Solche Flughafengettos sind autistische, autonome Inseln für vagabundierende Nutzer einer urbanitätsfernen Klasse – die höchstens, das sieht man etwa in Frankfurt am Main, Städte gentrifiziert und nicht belebt.

Rolf Lautenschläger