Das Favoritentreffen

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Gleich soll die letzte große Fernsehdiskussion vor der Wahl beginnen. Alle sind schon da: Der amtierende Kanzler, die Kanzlerkandidatin, der amtierende Vizekanzler und der FDP-Chef. Auch die Linkspartei in Gestalt von Gregor Gysi hat ihren Platz in der Runde der „Favoriten“ bereits eingenommen. Nur der frühere Kanzlerkandidat, CSU-Chef Edmund Stoiber, fehlt noch. Der sei aber auch „schon in der Maske“, weiß Westerwelle.

Bis Stoiber kommt und die Kameras eingeschaltet werden, fragt Gysi in die Runde, „wie wir wohl alle ohne Maske aussehen würden“. „Schön wie immer!“, ruft Joschka Fischer. Ohne Maske, gibt Angela Merkel zu bedenken, würden „Männer besser als Frauen“ rüberkommen. Dann wendet sie sich an den Mann, der neben ihr sitzt. Sie sei „neulich einem Fotografen begegnet“; berichtet sie Gerhard Schröder, „der hat behauptet, er habe 12.000 Bilder von mir“. Der Kanzler sagt nichts. Er übt lieber seine Staatsmann-Pose. Schröder sagt erst etwas, als die Kameras an sind und die Moderatoren ihm den Gefallen tun, als Erstes nach Paul Kirchhof zu fragen. Ob die Nominierung des umstrittenen Finanzfachmanns in Merkels Kompetenzteam nicht das größte Wahlgeschenk für ihn gewesen sei, wollen sie wissen? Immerhin sind die Umfragen für die SPD besser geworden, seitdem sich Kirchhof über Kopfsteuern und Rentenprivatisierung ausgebreitet hat. Viel besser. Gestern kletterten die Werte für des Kanzlers Partei erstmals auf 35 Prozent. Doch so offensichtlich unter rein parteitaktischen Aspekten kann der Kanzler die Bedeutung des Herrn Kirchhof natürlich nicht einordnen. „Für die Wählerinnen und Wähler ist er nun wahrlich kein Geschenk“, sagt Schröder über Kirchhof. Schließlich müssten diejenigen für Kirchhofs Ideen bezahlen, denen die Steuerfreiheit für Nacht- und Feiertagszuschläge weggenommen werden soll. Aber das könne alles ja noch verhindert werden. Denn „die wirklichen Kanzlermacher“, so Schröder, seien weder Kirchhof und schon gar nicht kleine Parteien wie die FDP, nein, „die wirklichen Kanzlermacher sind die Wählerinnen und Wähler.“ Ließen sie ihn weitermachen, so Schröder, werde Deutschland weiter reformiert, aber ohne dabei die soziale Gerechtigkeit aufzugeben. Man kann es ja nicht oft genug sagen.

Merkel sieht weniger fröhlich aus, als sie auf Kirchhof angesprochen wird. Aber auch sie denkt sofort an die Wähler. „Wenn es der Wähler erlaubt“, werde sie dafür sorgen, dass Kirchhof Finanzminister wird. Kurz vor Schluss noch von ihrem Favoriten abzurücken und beispielsweise durch Friedrich Merz zu ersetzen – kommt nicht in Frage. Viel mehr will sie aber nicht mehr über ihren angeblichen Favoriten Kirchhof sagen.

Dessen wichtigste „Vision“ (die Merkel noch vor zwei Wochen wohlwollend so genannt hatte), also die Steuern auf 25 Prozent für alle zu senken – kein Thema mehr für Merkel und kein Thema mehr für Stoiber: „Es geht jetzt nicht um Flat-Tax!“

Stoiber zählt zum x-ten Male auf, was unter Rot-Grün alles den Bach hinuntergegangen sei: der Arbeitsmarkt, der Haushalt. „Sie haben sieben Jahre Zeit gehabt“, sagt Stoiber. Schröder sei „gescheitert“ und deshalb gebe es „nach wie vor eine Wechselstimmung“. Nun ja.

Am Ende sind alle Favoriten etwas ratlos. Denn wenn die Wahl so ausgeht wie die aktuellen Umfragen, kann niemand so regieren, wie er möchte. Weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün hätten eine Mehrheit. Alles andere – kommt angeblich nicht in Frage. Fischer sagt über eine „Ampel“ mit der FDP, an Westerwelles Ablehnung sehe man, dass die nicht kommen werde, „selbst wenn wir wollten“. Merkel sagt über eine große Koalition, die werde es „nicht geben“. Nur Gysi tut sich leicht: Eine große Koalition fände er nicht schlimm. Dann hätte die Linkspartei immerhin Schwarz-Gelb verhindert – das sei doch auch ein gutes Argument, die Linkspartei zu wählen, „hmm?“.