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der zuckerberg teil 9Food Porn

Illustration: Camelia Dobrin/getty

Facebook. Ein alter Hut mit vielen bunten Federn. Angesichts der versammelten Pracht von Schreiadler, Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel sowie praktisch sämtlichen Kauzarten soll diese Serie für den nötigen Durchblick sorgen

Ausgenommen der Account einer Speisegaststätte, deutet das regelmäßige Posten von Essen auf Facebook auf mannigfaltige Verwundungen der Seele hin. Die einen weisen orale oder anale Fehlentwicklungen auf, andere erweitern ihren Narzissmus auf den Tellerinhalt.

So wie heute. Ein Typ hat sein Mittagessen fotografiert und in die Welt hinausgepostet. Fischstäbchen, der Optik nach von „Gut & Günstig“, Hornbach oder KiK, und Fertigkartoffelsalat. Leistete Ernährung einen Offenbarungseid, wäre dieses Foto die Unterschrift darunter. Das Gegenteil von Food Porn. Was für ein Fressnazi. Die „Mahlzeit“ sieht so eklig aus, dass mir meine eigene um ein Haar wieder hochkommt: rohe Möhrenschnitze, in Bioweihwasser gedünsteter Blattspinat und dazu einen Karma-Koriander-Smoothie (Hinschreiben muss hier erst mal reichen; Bild nur auf Nachfrage per PN).

Doch dann bekomme ich fast Mitleid mit dem armen Friend. Denn der Dünkelschrott, der sich nunmehr über ihn ergießt, ist in seiner Selbstgerechtigkeit kaum zu ertragen. Nur ein Barbar, ein Umweltschwein, ein Scheusal könne sich von solchem aus dem Schmerz der gequälten Kreatur gewrungenem Billo-Junk ernähren. Entmündigen, Sterilisieren, Zähne entfernen, Wahlrecht weg, raus aus der guten Innenstadtlage und ab nach Marzahn oder Hakenfelde. Nebenher weist man noch höhnisch darauf hin, dass dieser Tropf den Profilen von Ken Engelmann und Julia Jebsen folgt.

Nichts ist schlimmer als der Hass der Guten. Der Hass der Bösen ist ebenso wie die Liebe der Guten ein von innerer Harmonie und der Schönheit der Logik getragenes Gewächs. Doch die Liebe der Bösen ist Lüge und der Hass der Guten tut weh.

Denn gegen den kann man sich nicht wehren. Nachhaltigkeit kostet Geld, und auf der richtigen Seite zu stehen ist teuer. Will man mehr über den gesellschaftlichen Status eines Menschen erfahren, blickt man inzwischen nicht nur wieder aufs Gebiss, sondern auch noch darauf, was sich zwischen den Zähnen befindet: Aldi-Pampe oder Superfood? Das ist im Grunde genauso wie vor dreihundert Jahren: Der Arme soll gefälligst trocken Brot fressen, während das Wild der Wälder, das Gemüse der Gärten und der Fisch der Ströme den hohen Herrschaften vorbehalten bleiben. Die Hinrichtung erfolgt virtuell.

Dennoch versucht der Stadtschrat, die Leben der Anderen mit seinen Posts zu imitieren. Weil er nicht versteht, dass Fischstäbchen aus Delfinen und Greenpeace-Aktivisten nicht dasselbe sind wie Bio-Wildlachs, dass schlechte Pornografie nichts mit gutem Sex zu tun hat und dass die Auslach-Emojis unter seinem Fraß keine Likes sind. Uli Hannemann

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