Brüssel und London bewegen sich

In den verfahrenen Brexit-Verhandlungen scheint nun doch noch eine Annäherung möglich

Aus Brüssel Eric Bonse

In die zähen Verhandlungen um den britischen EU-Austritt ist Bewegung gekommen. Kurz vor der inoffiziellen, von EU-Verhandlungsführer Michel Barnier gesetzten Deadline am Freitag scheint doch noch eine Annäherung möglich.

In zwei Wochen, bis Ende November, müsse man „ausreichende Fortschritte“ erzielen, hatte Barnier bei der letzten Brexit-Runde gewarnt. Andernfalls werde der EU-Gipfel Mitte Dezember kein grünes Licht für Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen geben.

Ein Ultimatum sei dies nicht gewesen, betont die EU-Kommission nun. Dennoch scheint Barniers Ansage nun Wirkung zu zeigen: Bei zwei der drei strittigen Kernthemen hat Premierministerin Theresa May Entgegenkommen signalisiert. Bei der Schlussrechnung für den Brexit will May ebenso nachbessern wie bei den künftigen Rechten der EU-Bürger auf der Insel.

Demgegenüber haben sich die Fronten im Streit um die Grenzen in Irland verhärtet. Irland fordert jetzt schriftliche Garantien. Die Regierung will sicher gehen, dass es nach dem Brexit keine neue Grenze mit Nordirland geben wird.

Der EU kommt dieser Streit ungelegen. Schließlich scheint eine Einigung bei den künftigen Rechten der EU-Bürger zum Greifen nahe. Es fehlten nur noch ein paar Details, heißt es in Brüsseler Verhandlungskreisen.

Zudem gibt es nun erstmals Hoffnung, dass der gordische Knoten bei der Brexit-Rechnung gelöst werden könnte. So scheint May nun bereit, ihr Angebot deutlich aufzustocken. Statt 20 Milliarden Euro denkt sie laut britischen Medien nun darüber nach, bis zu 40 Milliarden zu zahlen. Das läge deutlich näher an den 60 Milliarden, die bisher in Brüssel genannt wurden.

Gleichzeitig gibt sich auch die EU-Seite flexibler. Die 60 Milliarden seien nicht in Stein gemeißelt, sagte ein einflussreicher EU-Diplomat. Zudem erwarte man noch keine hundertprozentige Einigung in Finanzfragen. May müsse keine endgültige Zahl nennen, sondern sich zu Pensionszahlungen und anderen Verpflichtungen bekennen, so der Diplomat. Dann sei der Übergang zur zweiten Verhandlungsphase möglich.

Beim EU-Gipfel im Dezember könnte es für beide Seiten zum Offenbarungseid kommen: Wenn kurz vor Weihnachten kein Deal gelingt, wird sich ein Scheidungsvertrag kaum noch vor dem endgültigen EU-Austritt am 29. März 2019 aushandeln lassen. Die Folgen wären vor allem für die Wirtschaft verheerend.