: Keine Lust auf Übermensch
Nietzsche light: Laibach präsentiertenim Kesselhaus „Also sprach Zarathustra“
Von Thomas Mauch
Zwischendurch an diesem Montagabend, beim Konzert von Laibach im voll besetzten Kesselhaus der Kulturbrauerei, wollte man doch den Eindruck haben, dass Frontmann Milan Fras einigermaßen melancholisch in die Menge schaute. Etwas unbeteiligt auch. Jedenfalls nicht mitgerissen von seinem Tun.
Was schon an der Musik gelegen haben könnte. Gespielt wurde das aktuelle Album der Band, „Also sprach Zarathustra“, das recht neoromantisch gestimmt und somit nicht nur für Laibach-Verhältnisse eher von der milden Sorte ist. Ein besinnliches Klöppeln und Klimpern ist da zu hören, manchmal fast wiegenliedhaft zärtlich und begütigend.
Begütigendes also? Und das ausgerechnet von Laibach, der Band, die ansonsten doch immer gut war als Soundtrack „für eine bewaffnete Invasion in ein kleines, neutrales Land“, wie es mal ein Kritikerkollege schrieb.
Endlich wieder aufregen
Aber Irritation ist eben das Geschäft der Gruppe, die es längst von der Aufregerband aus Jugoslawien zu einem der prominentesten Kulturexporte Sloweniens geschafft hat. Zuletzt durften sich die Feuilletons sogar wieder ein wenig über sie aufregen, im Sommer 2015, als Laibach ausgerechnet in Nordkorea Konzerte gaben. Die dabei entstandene Dokumentation „Liberation Day“ ist übrigens am Freitag zur Eröffnung des Festivals „Neues slowenisches Kino“ im Sputnik am Südstern zu sehen.
Beim Versuch, das Zarathustra-Album auf die Bühne zu übertragen, fehlte dann im Kesselhaus das Symphonische. Im kleineren Apparat der Liveband – Keyboards, Gitarre, Schlagzeug – wurde die Musik doch mit mehr Wucht über die Bühne geschoben, und Milan Fras gurgelte aus Nietzsches „Zarathustra“-Buch ein paar Merksätze von tief unten aus der Mördergrube heraus – ohne sich dabei besonders für den Übermenschen, den Nietzsche ja in seinem Zarathustra eingeführt hatte, zu interessieren.
„Dunkel ist die Nacht“, gurgelte also Milan Fras in mehrfacher Wiederholung, damit da wenigstens etwas raunte in dem Nietzsche-Satz. Die Musik mühte sich, auch sonst war alles etwas träge und auch müde. Als wären sich Laibach ihrer selbst überdrüssig.
Last Exit Beschaulichkeit
Als dann noch Mina Špiler mit engelsgleichem Gesang auf der Bühne stand, durfte man sich in Wohlklang suhlen, als hätte man sich versehentlich auf ein Enya-Konzert verirrt. Last Exit New-Age-Beschaulichkeit.
Bei den Strategiebesprechgungen muss der Band klar geworden sein, dass das – Prinzip Irritation hin oder her – dann halt doch nicht reicht, um die Laibach-Fans wirklich bei der Stange zu halten.
Deswegen gab es im Kesselhaus nach der Zarathustra-Exegese eine ausgedehnte Runde mit Nummern im alten Stiefelschritt, mit dem sich die Industrialpioniere Laibach einst ihren Ruf als Einsatzgruppe für musikalische Invasionen erwarben. Dieser Schachzug mag zwar konzeptionell fragwürdig und der Musikstrategen Laibach nicht würdig erscheinen, sorgte aber zumindest für ein Remis.
Aus den Anfangstagen der Band in den frühen Achtzigern durfte man etwa „Brat Moj“ hören, mit „Wirtschaft ist tot“ warf man einen Hit des „Kapital“-Albums aus dem Jahr 1992 in die Menge, die jetzt mit deutlich mehr Empathie dem Laibach’schen Überwältigungsrock folgte.
Laibach gaben dem Volk, was das Volk wollte. Und Milan Fras guckte gar nicht mehr melancholisch.
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