Zielgruppe gesucht

Auf einer ersten Plattform für ein alternatives WM-Kulturprogramm hüpfen die Bälle noch in alle Richtungen

Fußballkultur hat viele Spielarten und wird auf einem Feld scheinbar ohne Begrenzung gespielt. Ihr Spektrum reicht vom gepflegten Pass auf dem Rasen bis zu dem, was die Hochkultur zum Thema Fußball produziert. Vom Fan in der Kurve bis zum anerkannten Fußballliteraten soll sie neue Gemeinschaften bilden.

In Berlin gibt es einen Verein für Fußballkultur, Brot und Spiele e.V., der mitten in der Vorbereitung auf das wichtigste Sportereignis des nächsten Jahres steckt. Die Fußball-WM soll kulturell begleitet werden. Ein offizielles Kulturprogramm, das der Großkultusspielführer Andre Heller für das Bundesministerium des Inneren zusammengestellt hat, gibt es zwar schon: 48 Großprojekte von der Eröffnungsgala bis zu einer Theatersport-WM für Improvisationsnationalmannschaften sind sich ihrer Förderung schon sicher. Doch es gibt noch mehr Kulturschaffende, die im WM-Fieber Kulturveranstaltungen geplant haben. Unter der Leitung des Brot und Spiele e. V. hat sich nun ein Netzwerk gebildet, das unter dem Namen Libero allen diesen unabhängigen Projekten eine Plattform bietet. Die Macher sollen sich kennen lernen und die Möglichkeit erhalten, gemeinsam für so etwas wie ein alternatives Kulturprogramm zu werben. Am Montag hat der Club zum Hearing in die Kulturbrauerei alle diejenigen eingeladen, die Pläne für Veranstaltungen im nächsten Jahr in der Schublade haben.

40 Menschen waren erschienen. Alle mit einer gewissen Vorstellung davon, was Fußballkultur sein soll. Elke Ritt, in der Berliner Vertretung des British Council für Kultur zuständig, stellt das „Dreams-and-Teams“- Programm vor, ein ehrgeiziges Unternehmen, das mit Hilfe des Sports junge Menschen sprachlich und kulturell zusammenbringen will. Dann meldet sich ein Puppenspieler, der wissen will, ob es möglich sei, an die großen Fanveranstaltungen am Potsdamer Platz heranzukommen und dort etwas auf die Beine zu stellen. Manfred Fischer, im Kultursenat für Projektförderung zuständig, winkt ab. Es habe keinen Sinn, zu den Fans zu gehen. Man müsse vielmehr die Fans zu sich holen. Außerdem gehe es nicht nur um die reinen Fußballfans. Es gehe auch um diejenigen, die Eintrittskarten für die Spiele über Sponsoren erhalten hätten, sich aber gar nicht so sehr für Fußball interessieren und eine Städtereise mit kulturellem Rahmenprogramm unternehmen würden. Um Kulturtouristen.

Nein, widerspricht Michael Pöppl, Autor der Gesellschaftsstudie „Fußball ist unser Leben“. Es gehe schon um Fußballfans, um die, die vielleicht nicht so gerne ins Stadion gehen, sondern die lieber die Kneipen aufsuchen würden, wo die Sportkompetenz besonders hoch ist, um Kulturmenschen.

Ralf Busch meldet sich zu Wort. Er ist vom Fanprojekt Berlin, das während der WM ein Zeltcamp für 2.000 eher junge Besucher organisiert. Busch ist interessiert an Kulturschaffenden, die sich auch vor den „ordinären Fans“ nicht fürchten. Schweigen im Saal. Becksflaschengenippe. Man kann sie sich schlecht zusammen vorstellen, Fußballkulturmenschen und ordinäre Fans.

ANDREAS RÜTTENAUER