Auf der Suche

Erstligaabsteiger Hansa Rostock steht nach der 4. Niederlage hintereinander mit null Zählern da. Beim 0:1 in Bochum war der erste Punkt für das Team von Trainer Frank Pagelsdorf zum Greifen nah

AUS BOCHUMCHRISTOPH SCHURIAN

Montagsspiele scheinen von einem geheimnisvollen Regisseur gelenkt, der dafür sorgt, dass Spielentscheidungen gerne bis zum Schluss hinausgezögert werden. Jedenfalls kann sich das Deutsche Sportfernsehen keinen dramatischeren Verlauf seiner Livespiele wünschen, ein Ende, das auch gut zum Rätselrufmichanfernsehen auf diesem Sender passt: Nicht abschalten, Sie könnten den Hauptgewinn verpassen! Nicht nur in dieser Hinsicht ist der VfL Bochum am Montagabend in Liga zwei angekommen. Der Treffer von Martin Meichelbeck (93.) in der Nachspielzeit ließ den VfL jubeln und die Spieler von Rostock kollektiv zusammensacken. Mit vier Niederlagen hintereinander und ohne einen einzigen Punkt steht Bundesligaabsteiger Hansa auf dem vorletzten Tabellenplatz.

Coach Frank Pagelsdorf, einst Macher des hanseatischen Fußballaufschwungs Ost, ging nach dem ersten Auswärtsspiel seit seiner Rückkehr mit schweren Schritten auf das Schiedsrichtergespann los – und bedankte sich bei den Herren mit Handschlag. Genauso gefasst fiel auch seine Analyse der „bitteren Niederlage“ beim eigentlichen Lieblingsgegner aus: Obwohl Bochum erst auf den allerletzten Drücker traf, sei der Sieg für Pagelsdorf vollkommen in Ordnung gegangen. Bochum habe mehr Druck gemacht und seine Mannschaft zu wenig: „Wir haben es nicht geschafft, längere Zeit im Ballbesitz zu bleiben.“ Dass das am Rostocker Riegel lag – auch das gab der verständige Trenchcoattrainer zu: „Es geht jetzt darum, unsere Defensive etwas zu stärken“, murmelte Pagelsdorf auf der Suche nach einem Rezept für die zweite Liga.

Der beste Feldspieler des Abends hatte sich das schon parat gelegt: Für Bochums Mittelfeldmotor Thomas Zdebel war der Heimsieg ein „typisches Zweitligaspiel“, das über Zweikämpfe gewonnen wird. Die Fußballplattitüde stimmt allerdings für keine Liga dieser Welt und auch nicht im bundesdeutschen Fußballunterhaus: Dass es im Ruhrstadion zur Häufung von ungelenken Zweikämpfen kam, nur unterbrochen von ungenauen Pässen, lag daran, dass hier zwei Bundesligabsteiger aufeinander trafen, die auf der Suche nach ihrer Sicherheit sind. Und weil die Rostocker Unsicherheit etwas größer war als bei den noch ungeschlagenen Hausherren, bemühte sich Hansa um Fußballverhinderung, der VfL indes um den ersten Heimsieg. In der ersten Halbzeit kam ein Spiel heraus, das so fruchtbar öde anzuschauen war, dass selbst die minutenlang am Stadionzaun wartende Cheerleadertruppe zum Hingucker wurde.

Vielleicht war die blauweiße Mädchenschar ein Ablenkungsmanöver von Bochums Coach Marcel Koller gewesen. Denn auch der reservierte Neururer-Nachfolger bediente sich einer Fußballphrase: Es sei halt das Geduldsspiel gewesen, das er erwartet habe. Aber was hätte der Schweizer gesagt, wenn es nicht gut ausgegangen wäre und die Tribünengäste mit Sitzkissen geworfen hätten? Damit Bochums Zweitligajahr nur ein Gastspiel bleibt und nicht bestimmt wird von Glücksmomenten, müssen die überqualifizierten VfL-Spieler wie die Brasilianer China oder Edu mehr Torchancen herausspielen.

Das Bochum wieder einmal direkt aufsteigen kann, bewies dann die zweite Hälfte: Angreifer Edu vergab klarste Torchancen – bis dann aber doch die Brechstange für das Schlussdrama ausgepackt wurde. Bochum brachte Kopfballstürmer Joris van Hout, und ein Zusammenspiel aus Übersicht und Wucht sorgte für die Entscheidung. Zdebel bediente den aufgerückten Ausputzer Pavel Drsek, der hob eine Flanke über Rostocks Keeper Matthias Schober auf Meichelbeck. Weil der Abwehrspieler aus spitzem Winkel traf, begrub es ihn hernach unter einem Freudenknäuel – für Koller und die seinen eine Gefühlstankstelle für die nächsten intensiven, weil englischen Wochen.

Auch Pagelsdorfs Verlierer hätten ein Erfolgserlebnis gebrauchen können – diesmal fehlten zum Remis beim Favoriten immerhin nur ein paar Sekunden und zur Überraschung in dem brachialen Geduldsspiel ein paar Zentimeter: Aber René Rydlewicz, neben Trainer Pagelsdorf der einzige Rostocker, der an den forschen Angriffsfußball Anfang der 90er-Jahre erinnerte, schob den Ball in der 77. Minute freistehend am VfL-Tor vorbei: „Ich werde schlecht schlafen“, sagte er. Andere Rostocker sicher auch.