DER AMERIKANER, DER ALLES ISST
: Eine erfolgreiche Flucht

■ gebürtiger Amerikaner, zeigt sich auch in Niedersachsen konkurrenzfähig. Foto: dpa

Eigentlich ist es ja eine Glücksgeschichte. Die einer erfolgreichen Flucht nämlich. Es war in den 1930er Jahren, als sich einige Exemplare des Procyon lotor, auch als Waschbär und gelegentlich als Schupp bekannt, aus deutschen Pelztierfarmen befreiten. Zusätzlich setzte die Forstbehörde am hessischen Edersee zwei Exemplare aus, allerdings weniger aus Tierfreundlichkeit, denn aus ökonomisch-nüchternen Erwägungen: dann musste man die Felltiere nicht mehr aus Nordamerika, wo sie eigentlich heimisch sind, importieren.

Nun scheint es, dass es dem niedersächsischen Waschbär im letzten Jahr mindestens so gut ging wie in den vergangenen zehn – seitdem nämlich breitet er sich sprunghaft aus. Das zumindest schließt die niedersächsische Jägerschaft aus ihren Abschusszahlen. 2008 ließen dort 4.100 Waschbären ihr Leben. Wie sinnvoll die Bejagung ist, bleibt umstritten. Die Naturschutzverbände verweisen darauf, dass es ohnehin nicht möglich sei, die Waschbärenpopulation dadurch zu verringern. Die von den Jägern ins Feld geführten Schäden für Jungvögel und Niederwild habe man nie wissenschaftlich nachweisen können. Und nicht zuletzt: Die Jagd über Fallen sei grausam, weil der Waschbär mit seinen empfindlichen Pfoten in die Falle gerate. Die Fallen seien geprüft, hält die Jägerschaft entgegen und zudem verweist sie auf den für Menschen gefährlichen Spulwurm, von dem bis zu 70 Prozent der Tiere befallen seien.

Das sind die aus Waschbärensicht schlechten Nachrichten. Die gute: Er ist eingebürgert. Denn wer sich ohne menschliches Zutun erhält und ernährt, ist nicht länger bloß importiert. Dass dem so ist, hat der Waschbär seiner Konkurrenzstärke zu verdanken: Als Allesfresser mit breitem Nahrungsspektrum, der das hiesige Klima gut verträgt, hat er sich in Deutschland gut eingelebt. Und das nicht nur im Wald. Als Kulturfolger hat er sich auch in die Städte bewegt, Kassel gilt mit 50 bis 150 Tieren pro km[2]europaweit als Waschbärenhochburg. Und eine letzte gute Nachricht für Procyon lotor: Es ist billiger, die von ihm verursachten Schäden zu beseitigen, als zu versuchen, ihn zu vertreiben. FRIEDERIKE GRÄFF