„Diesmal ziehen wir an einem Strang“

PROTEST Erdal Caglar von der Alevitischen Gemeinde über die Demo gegen Recep Tayyip Erdogan

■ 40, ist stellvertretender Vorsitzender der Alevitischen Gemeinde zu Berlin, hat die Demonstration mitgeplant. Beginn ist um 10.30 Uhr.

Über vierzig oppositionelle Gruppen und türkeistämmige Minderheitenverbände aus ganz Deutschland wollen heute Vormittag gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und die türkische Regierung demonstrieren. Am zweiten Tag seines Staatsbesuchs in Berlin trifft Erdogan auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Kundgebung findet deshalb auch in Hörweite, am Brandenburger Tor, statt.

taz: Herr Caglar, viele Verbände von ethnischen Minderheiten in der Türkei haben zur Demonstration gegen Erdogan aufgerufen, vom alevitischen Dachverband AABF bis zum Zentralrat der Armenier. Sind auch politische Oppositionelle unter den Demonstranten?

Erdal Caglar: Mindestens die Hälfte sind linke und sozialdemokratische Gruppierungen. Viele Politiker, wie Claudia Roth und Gregor Gysi, sowie über 20 türkeistämmige Kommunalpolitiker aus ganz Deutschland haben ihr Kommen zugesagt. Das Besondere ist, dass viele Verbände und Vereine, die sonst konträre Ansichten vertreten, diesmal an einem Strang ziehen. Unser kleinster gemeinsamer Nenner ist die menschenverachtende Politik der AKP-Regierung.

Gibt es außer der Wut auf Recep Tayyip Erdogan noch etwas, was so verschiedene Verbände unter einem Dach versammelt?

Wir fordern einen Stopp des Pan-Islamismus, den der Ministerpräsident versucht auch hier in Deutschland zu etablieren. Wir hoffen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die kritischen Stimmen zu der Politik von Erdogan vernimmt.

Wie wollen Sie sich Gehör verschaffen?

Das Brandenburger Tor ist ja räumlich gut gelegen. Mitten in Berlin, gleich am Kanzleramt. Wir überlegen ganz konkret, Vuvuzelas oder wenigstens Trillerpfeifen mitzubringen.

Was sind Ihre konkreten Forderungen?

Die Türkei hat sich unter Erdogan und seiner Regierung in ein großes Gefängnis für Andersdenkende verwandelt. Viele Oppositionelle und Journalisten werden unter menschenunwürdigen Zuständen und mit fadenscheinigen Argumenten in Haft gehalten. Das prangern wir an.

Regierungsnahe Stimmen aus der türkischen Community werfen Ihnen vor, Sie würden sich nicht mit der deutschen Politik befassen. Warum ist es Ihnen so wichtig, heute am Brandenburger Tor gegen Erdogans Besuch zu demonstrieren?

Diese angeblich kritischen Stimmen stehen der streng islamischen Gülen-Bewegung nahe. Diese Argumentation kenne ich schon. Eigentlich sind sie diejenigen, die hier immer noch Türkeipolitik betreiben und sich nicht emanzipieren können. Alles, was in der Türkei im religiösen Sinne Bestand hat, wird mit Hilfe der AKP-Regierung hier wiederbelebt und weitergeführt.

Wie viele Teilnehmer erwarten Sie heute?

Wir erwarten mindestens 10.000 Menschen, hoffen aber auf 20.000. INTERVIEW: EBRU TASDEMIR