AMERICAN PIE
: Unter dem Radar

FOOTBALL Obwohl sie noch unbesiegt sind, nimmt die Atlanta Falcons niemand ernst. Trainer Smith kommt das sehr entgegen

Jemanden, der den Namen Mike Smith trägt, dem muss wohl jede Art von Extravaganz fern liegen. Aber aktuell versucht der Cheftrainer der Atlanta Falcons noch einmal nüchterner, unaufgeregter und geschäftsmäßiger zu wirken als sonst schon. Denn seine Mannschaft ist die einzige in der National Football League, die noch ungeschlagen ist. Und Coach Smith versucht mit aller Macht zu verhindern, dass seine Spieler auf die Idee kommen könnten, sie wären tatsächlich die Besten der Liga und auf dem besten Weg, die Super Bowl zu erreichen.

Nicht mit Mike Smith: Nach dem siebten und bislang letzten Erfolg, einem überzeugenden 30:17-Auswärtssieg bei den Philadelphia Eagles, griff er tief in den Phrasenfundus für Trainer, die bloß keine Euphorie aufkommen lassen wollen. Das nächste Spiel sei immer das schwerste, ließ er wissen, man habe noch nichts erreicht und dürfe nur von Gegner zu Gegner denken. „Wir müssen sicher gehen“, so Smith mit möglichst unbewegter Miene, „dass wir uns auf das nächste Spiel vorbereiten.“

Inmitten der Plattitüden allerdings versteckte Smith einen Satz, der tatsächlich mehr als nur ein Klischee war, sondern eine recht genaue Analyse der bisherigen Saison. „Wir haben auch Glück gehabt und vor allem effizient gespielt“, sagte der 53-Jährige, und die meisten Experten werden nicht müde, ihm da zuzustimmen. Denn tatsächlich haben die Falcons ihre sieben Siege bislang vornehmlich gegen die Kellerkinder der Liga eingefahren, mussten sich trotzdem aber manches Mal zu einem eher unschönen Erfolg quälen. Obwohl ungeschlagen, ging Atlanta auch in das Spiel gegen die vor der Saison hoch gehandelten Eagles als Außenseiter.

Auch nach dem Erfolg gegen Philadelphia weigert sich selbst die Lokalpresse in Atlanta, in Begeisterung auszubrechen. Der allgemeine Tenor ist: Die Falcons mögen eine perfekte Bilanz besitzen, ihr Spiel aber ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Ein Chor, in den Smith natürlich erfreut einstimmt: „Wir haben einige Fehler gemacht“, ließ er nach dem Sieg gegen die Eagles wissen. Dabei bot sein Team in Philadelphia eine gute Leistung. Das Ergebnis entsprach nicht dem Spielverlauf, Atlanta ließ dem Gegner um Eagles-Quarterback Michael Vick keine Chance.

Bis vor fünf Jahren war Vick noch das Aushängeschild der Falcons. Dann wurde seine Verwicklung in einen illegalen Hundekampf- und Wettring aufgedeckt. Der Star-Spielmacher wanderte in den Knast und bei den Falcons brach das Chaos aus. 2008 wurde deshalb Mike Smith verpflichtet, der nicht nur neue Ordnung brachte, sondern auch den Vick-Nachfolger Matt Ryan zum neuen Vorzeige-Quarterback formte und mit ihm die erfolgreichste Ära in der Geschichte des Klubs einleitete, der in seiner 46-jährigen Existenz noch nie NFL-Champion werden konnte: Jede Saison unter der Regie von Smith und Ryan schloss Atlanta mit mehr Siegen als Niederlagen ab.

In den Playoffs allerdings kam stets in der ersten Runde das Aus. Die Konsequenz, die Smith aus dieser Erfahrung gezogen hat: den Ball flach halten. Und seine Spieler folgen dieser Vorgabe: Man habe einen „guten Job“ gemacht, formulierten gleich mehrere Falcons, aber man müsse sich noch verbessern, weiter hart an sich arbeiten. Ein Wunsch, dem Smith gerne nachkommt: Unlängst ließ er seine Profis einen ganzen Tag lang üben, wie man einen Gegner blockt oder zu Boden reißt. Das wäre so, als würde Jupp Heynckes seinen Bayern noch mal die Grundlagen von Ballannahme und Innenrist-Pass vermitteln. Doch statt zu revoltieren, üben sich die Falcons in Bescheidenheit. „Wir sind zwar ungeschlagen“, erklärt Todd McClure, der als Center für den Schutz von Matt Ryan zuständig ist, „aber wir haben noch viel Luft nach oben.“

Deswegen wird Atlanta auch in das Spiel am kommenden Sonntag gegen die Dallas Cowboys wieder nur als Außenseiter gehen. Denn obwohl sich Mannschaften wie Titelverteidiger New York Giants, die Green Bay Packers oder die Houston Texans, die vor der Saison als Super-Bowl-Favoriten galten, als schlagbar erwiesen haben, werden die unbesiegten Falcons immer noch nicht so richtig ernst genommen. „Mir ist ganz recht, dass wir momentan nicht vom Radar erfasst werden“, sagt Center McClure, „mir ist lieber, dass im Februar alle von uns begeistert sind.“ Die Super Bowl wird am 3. Februar in New Orleans ausgespielt. THOMAS WINKLER