Hallo kleines Mädchen, das ist der Rock. Poolstar kennen das schöne Finale und Roland Heinrich macht eine Ruhrpott-Roots-Musik

Kann man im Jahre 2009 noch einen Song „Hey Little Girl“ nennen? Ob man wirklich sollte, ist eine andere Frage, aber eins ist sicher: Man kann. Man kann sogar dazu Rockmusik spielen, so richtig mit knarzenden Gitarren, knalligem Schlagzeug und bulligem Rhythmus. Kann man alles. Jedenfalls dann, wenn man Poolstar heißt und sich die Absolution geholt hat von Rod Gonzelez. Der ist der Bassist von Die Ärzte und – zumindest abseits seiner Haupteinnahmequelle – bekannt für einen eher humorlosen, auf solides Handwerk bauenden Musikgeschmack.

Zwar hat er auch mal eine schneidige Disco-Nummer unter seinem eigenen Namen aufgenommen, aber meist beschäftigt er sich doch eher mit dem, was man gemeinhin so ehrlichen Rock nennt. Auch das dritte Album von Poolstar hat er produziert und die Band hat es „4“ genannt. Das ist wohl die Sorte Witz, über die Rocker lachen. Und auf der Platte ist dann auch die Sorte Musik, zu der Rocker den Kopf schütteln, gespickt mit poetischen Höchstleistungen („I’m mad about you“), musikalischer Abwechslung (Laut-leise- und Schnell-langsam-Kontraste) und, ja durchaus, dann doch noch einer gewissen Selbstironie: Im trefflich betitelten Song „Hell-O“ wird ein richtig schönes Rocksong-Finale durchexerziert. Sie wissen: wenn die Band auf der Bühne sich bedeutungsschwanger anblickt und zu einem gemeinsamen Crescendo zusammenfindet, der Schlagzeuger dann etwas langsamer wird, damit alles sich noch mal aufplustern und schließlich auf einen Schlag zusammenbrechen kann. Nur dass Poolstar immer weitermachen mit dem Aufplustern und Zusammenbrechen, sie mit diesem Ende gar kein Ende finden wollen, bis es tatsächlich ziemlich lustig wird.

So lange muss man bei Roland Heinrich nicht warten. Bei dem geht es vom Start weg meist amüsant zu. In seinen Songs „hängt der Himmel tief über Ostwestfalen“ und vermisst der Protagonist allen Ernstes sein Iserlohn oder ist eine liebende Seele unterwegs auf der Autobahn, aber hat noch „400 Kilometer bis nach Essen“. Die textliche Nähe zum Ruhrgebiet wird ergänzt durch eine große Liebe zur amerikanischen Roots Music. Country und Rock ’n’ Roll, auch Talking Blues und Hillbilly überträgt der ehemalige Amerikanistik-Student liebevoll auf bundesdeutsche Verhältnisse.

Dass Heinrich, der Songs von Jimmie Rodgers ins Deutsche übersetzt hat und bereits seit Jahren als Schauspieler und musikalischer Leiter des Theaterstücks „Johnny Cash – The Beast In Me“ unterwegs ist, zwar in Berlin lebt, aber ursprünglich aus Mülheim stammt, ist auch auf seinem neuen Album „Lichterloh“ nicht zu überhören.

Der schnoddrige Arbeiterstolz passt ja auch viel besser zur beständig zwischen Selbstgefälligkeit und Melancholie balancierenden Grundhaltung: „Ich sauf mich tot – und ihr schaut mir zu“, singt Heinrich, während die Mandoline jammert. Dabei wird nie wirklich aufgelöst, wie ernst alles gemeint ist. Geschickt hält Heinrich in der Schwebe, ob die Pose vom einsamen Wolf nur aufgesetzt oder doch authentisch ist. THOMAS WINKLER

■ Poolstar: „4“ (Rodrec/GOMRecords/Cargo)

■ Roland Heinrich: „Lichterloh“ (AgrarBerlin/New Music Distribution) live 9. 11. Wild At Heart