Klimaschutz? Nö, danke

Nichts gelernt aus dem Dieselskandal: Brüssel will den CO2-Ausstoß von Pkw senken, deutsche Hersteller lobbyieren dagegen an. Und Christian Lindner glaubt an frische Luft

Aus Brüssel Eric Bonse

Für Christian Lindner ist der Fall klar: „Mit der FDP wird es keine Fahrverbote geben“, sagte der Liberalen-Chef am Rande der Jamaika-Sondierungen in Berlin. Lindner forderte auch, dass „wir uns notfalls bei noch strengeren EU-Grenzwerten mehr Zeit lassen“. Die Luft auf den deutschen Straßen sei „schon so gut“.

Doch jetzt droht dicke Luft – nicht in Berlin, sondern in Brüssel. Dabei geht es ausgerechnet um die strengeren EU-Grenzwerte, die Lindner verhindern will. Nach Angaben des europäischen Ökodachverbands Transport and Environment, dem auch der VCD und Nabu angehören, ist die deutsche Autolobby nämlich im Begriff, eine geplante Verschärfung zu torpedieren.

Eigentlich will die EU-Kommission am 8. November neue, strengere Kohlendioxid-Grenzwerte bekanntgeben. Der bisherige Entwurf sieht eine Minderung des CO2-Ausstoßes von Pkw um 25 bis 35 Prozent bis 2030 vor. Um mehr Elektroautos auf den Markt zu bringen, soll zudem eine Quote für emissionsfreie Fahrzeuge eingeführt werden.

Als Ziel sind 15 bis 20 Prozent „sauberer“ Pkws geplant. Damit würde die EU mit China Schritt halten, das für 2020 eine Quote für Elektroautos von 12 Prozent beschlossen hat. Für 2025 will die EU-Behörde zudem ein verbindliches Zwischenziel einführen. Nur mit klaren Vorgaben, so hieß es bisher in Brüssel, könne Europa beim Umwelt- und Klimaschutz weiter die Nase vorn haben.

Doch nun steht der EU-Beschluss plötzlich infrage. Denn hinter den Kulissen ist die deutsche Autolobby aktiv geworden. Der CDU-Politiker Matthias Wissmann, Chef des deutschen Verbands der Automobilindustrie, soll per Telefon persönlich bei der EU-Kommission interveniert haben.

„Letzten Donnerstag rief Wissmann den Stabschef von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an und gab ihm Instruktionen, den Vorschlag der EU-Kommission abzumildern“, berichtet Greg Archer von „Transport and Environment“ im Online-Magazin klimaretter.info. „Konkret wollte Wissmann durchsetzen, dass den Autobauern keine Sanktionen drohen, wenn sie die Zielmarken für Elektroautos nicht einhalten.“

Auch die Süddeutsche Zeitung berichtet über die Lobby-Offensive. Die EU-Kommission räumte ein, dass Wissmann mit Junckers rechter Hand, Martin Selmayr, gesprochen habe, ebenfalls CDU-Mitglied. Selmayr habe ihn aber an Klimakommissar Miguel Arias Cañete weiterverwiesen. Der habe keine Zusagen gemacht, beteuert eine Kommissionssprecherin.

Doch für die Umweltschützer von „Transport and Environment“ zeigte der Anruf die gewünschte Wirkung. Die Sanktionen gegen Autobauer seien bereits aus dem Entwurf gestrichen, so Archer. Was von den anderen Verschärfungen übrig sei, könne man nur mutmaßen. Kommissionsentwürfe werden oft noch in letzter Minute geändert. Der Einfluss von Lobbyisten lässt sich dann kaum noch nachweisen.

Die deutsche Autolobby macht sich offenbar Sorgen um ihren Einfluss. Kanzlerin Angela Merkel, die sonst ihre schützende Hand über die Industrie hält, sei wegen der Koalitionsverhandlungen nicht tätig geworden, heißt es in Berlin. Dafür mischte sich der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) ein. Die neuen EU-Klimaziele müssten „ambitioniert, aber erreichbar sein“, forderte Oettinger. „Planwirtschaft“ könne man sich nicht leisten. Untätigkeit auch nicht. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß deutscher Neuwagen stieg zuletzt an.