Schöner senken in Hamburg

ELBPHILHARMONIE Lange genug hat das Hin-und-her gedauert: Das Dach des Konzerthauses wird endlich abgesenkt. Um drei Zentimeter

Nun steh ich also da unten, am Fuß des Molochs, nein, was sage ich: des Glas- und Eispalastes. Steh also da und guck rauf auf Hamburgs Elbphilharmonie-Baustelle. Da will die Baufirma Hochtief das Dach absenken, hab ich gehört. Bin ich also hingefahren, kann man sich ja nicht entgehen lassen, so ein Ereignis.

Auf das die Welt inzwischen sieben Monate gewartet hat – und alles, weil die Stadt und Hochtief darüber stritten, ob das ganze Bauwerk dann zusammenbricht. Und darüber, ob nachher auf das Dach noch 4.000 Tonnen Technik draufgepackt werden können. Ich freu mich übrigens ehrlich für Hochtief: Denen wird jetzt erst mal doch nicht gekündigt, und sie können weiterbauen.

Und ich muss sagen, das sieht schon gigantisch aus, die paar Winz-Männeken, die da auf dem Riesenbau rumlaufen und allerlei werkeln. Denn live und nah dran dabei sein kann man natürlich nicht, wenn das Dach mit einer Hydraulikpresse ein paar Zentimeter tiefer gehebelt wird. Andererseits bin ich ganz froh über den Abstand – für den Fall, dass das alles wirklich nicht hält.

Ich schaue und schaue, aber von der Absenkung merk ich nix. „Gibt’s denn da?“, fragt ein Tourist. „Dachabsenkung“, antworte ich. „Ei, da will ich dabei sein“, sagt er und ruft gleich noch seine Frau dazu. Ehrfürchtig schweigen wir, warten. Es ist kalt, die Sonne blendet, aber wir haben aufgehört zu blinzeln und starren gebannt in das Weiße, Ferne da oben.

Und dann seh ich es: Das Dach kommt tatsächlich runter. Einen Zentimeter, zwei, Pause, noch einen. Alles schwebt, die Erde bebt, es grummelt leicht, und dann kommt dieses Knirschen. Ein kleiner Riss nur, eher zu spüren als zu sehen. Dann noch einer, er wird größer, jetzt durchzieht er schon den halben Sockel, es ächzt, es stöhnt, es bäumt sich auf und neigt sich …

Ich schrecke hoch. Nein, die Elbphilharmonie, das künftige Wahrzeichen der Stadt, steht immer noch. Starr und stabil. Bloß etwas kompakter als zuvor, was so zwei Zentimeter Dach doch ausmachen, denk ich noch und bin zufrieden: Es ist vollbracht, es hat gehalten, der Streit ist aus.

Gerade drehe ich mich zum Gehen, da kommt mir ein Arbeiter mit Elbphilharmonie-Helm entgegen: „Oh, Mann“, sagt er zu einem anderen, „das wird noch eine Menge Holz.“ „Ja“, sagt der zweite. „Und morgen senken wir dann ab.“ PS