Hatz auf Textdiebe eröffnet

URHEBERRECHT Wer Texte aus dem Netz kopiert, ohne zu zahlen, muss mit Post vom Anwalt des Autors rechnen. Denn neue Programme offenbaren Verstöße, die bisher nicht auffielen

VON DANIEL BOUHS

Eva Schweitzer will konsequent sein. „Ich werde Philipp nicht ganz vom Haken lassen“, sagt die freie Journalistin, die aus den USA berichtet, auch für die taz. Ein Anwalt hatte dem Studenten in ihrem Auftrag eine Abmahnung samt Rechnung geschickt – weil der in seinem Blog einen Text der Autorin lobte, das Werk aber ohne ihr Einverständnis kopierte. Im Netz tobt seitdem ein Streit darüber, ob Schweitzers Aktion in Ordnung ist. Vor allem viele Blogger denken: eher nicht.

Alles fing damit an, dass Schweitzer in der Zeit schrieb, wie schwer es für Zeitungen und Magazine sei, heute noch Recherche zu finanzieren. Auch Claus-Michael Gerigk las diesen Beitrag und wandte sich an die Journalistin. Gerigk hat sich darauf spezialisiert, Textdiebe zu jagen.

Schweitzer wurde Kundin, Gerigk speiste Texte in ein Programm ein, das Textguard heißt, wie auch seine Firma. Die Software sucht über Schnittstellen Kopien im Internet. Etwa 50 Seiten fielen auf, die Schweitzers Texte kopierten, ohne dafür zu bezahlen. So fanden sie sich etwa auf Reiseportalen, in kommerziellen Foren und in Philipps Blog.

Zu Gerigks Geschäftsmodell gehört nicht nur, dass er nur auf Provision arbeitet, sondern auch, dass er seinen Kunden Anwälte empfiehlt, die diese Urheberrechtsverletzungen ahnden. Zwar hat jeder das Recht, einen fremden Text zu zitieren, aber eben nicht komplett. Bei vielen Internetnutzern ist das nicht angekommen. Bisher konnten solche Verstöße jedoch kaum bestraft werden, weil sie nicht auffielen. Das ändert sich durch Programme wie Textguard nun.

Prominentester Kunde von Gerigk ist die Nachrichtenagentur AFP, für die Textguard schon seit dem Frühjahr die Archivbestände mit dem Internet abgleicht. Die Folge sind hunderte Abmahnungen. Darunter Ertappte, die über Jahre illegal AFP-Meldungen kopierten.

AFP-Geschäftsführer Andreas Krieger sagt, ausnahmslos alle verschickten Rechnungen würden „spätestens dann beglichen, wenn eine Anklageschrift zugestellt wird“. Zu Prozessen ist es noch nicht gekommen. Krieger: „Wir treffen also die Richtigen.“

Die Nachrichtenagentur dpa vertreibt wiederum eine Dienstleistung namens Attributor. Unter anderem die FAZ sucht damit bereits nach Kopien, dpa selbst natürlich auch. Sie bietet Attributor gerade Regionalzeitungen an. Dabei spüren Attributor und Textguard sogar nur teilweise kopierte Texte auf. Der Geschäftsführer der dpa-Tochter Infocom, Meinolf Ellers, erklärt: „Die Software findet Treffer bis auf sieben Wörter genau.“ Jeder werde aber einzeln geprüft, weil die Grenze zwischen Urheber- und Zitatrecht nur schwer zu ziehen sei.

Ellers will „ein Unrechtsbewusstsein schaffen, weil es hier um Inhalte geht, hinter denen Arbeitsplätze stehen.“ Wie seine Mitbewerber betont auch der dpa-Mann, es gehe dabei nicht um private Kopien, sondern um Seiten, die den geklauten Texten Werbung beistellten oder an die ein Onlineshop gekoppelt sei. Außerdem sehe man in vielen Textdieben gar nicht Kriminelle, sondern „mögliche Geschäftspartner“, denen man die eigenen Dienste verkaufen wolle.

Und im Fall des Privatbloggers Philipp gegen die Journalistin? Schweitzer sagt, sie dränge jetzt darauf, dass der Student eine Spende an einen Verein wie Amnesty International zahlt: „Die soll ihn natürlich nicht umbringen, aber zumindest ein Denkzettel sein.“