SOUNDTRACK

Im vergangenen Jahr gewannen Brockdorff Klang Labor einen von Spex und ByteFM ausgelobten Protestsong-Contest. Den Hinweis, dass sich durch den Siegertitel („Festung Europa“) sicher weniger bewegt hat als etwa durch eine ordentliche Protestaktion, kann man sich natürlich sparen. Zu billig. Musiker sind ja nicht für Protest zuständig, sondern für dessen Ästhetisierung und kulturelle Einordnung. Dies führt zum eigentlichen Problem des Protestsongs im Allgemeinen: er ist so gut, also wirksam, wie es Akteure gibt, auf die sich das Ganze beziehen lässt. Da drängen sich gewisse Fragen auf wie: wer braucht Protestsong-Contests? (Antwort: nicht die, die etwas mit Protest im Sinn haben). Geht es noch etwas belangloser und beliebiger (Antwort: Ja. Siehe Protestsong-Compilation der Bundeszentrale für politische Bildung). Warum beteiligen sich Bands daran? (Antwort: keine Ahnung, ggf. mal nachfragen). Wie dem auch sei: die Siegerband empfiehlt sich rein inhaltlich betrachtet weniger als Speerspitze eines besonders bissigen Protests und mehr als Wegweiser für ein aufrichtiges kritisch-bildungsbürgerliches Bewusstsein, was ja auch schon mal was ist. In der Hauptsache – „Musik“ (Mutter) – liefert das Ende der 1990er Jahre in Leipzig als Wohnzimmerorchester gegründete Labor hingegen fein instrumentierte elektronische Pop- und zuweilen Tanzmusik im Spannungsfeld zwischen Barbara Morgenstern und Radiohymne. Unlängst ist das zweite Album erschienen. Do, 1. 11., 22 Uhr, Nachtasyl, Alstertor 1

Sozialisiert zwischen Punk und Klezmer. Zu Hause in großen Hallen, vor saturiertem Publikum, in der wurmstichigen Kneipe und auf der Straße. Wer das unter einen zwangsläufig recht großen Hut zu bringen weiß, kann sich, wenn alles schlecht läuft, dem Verdacht des hemmungslosen Eklektizismus aussetzen. Bei der Amsterdam Klezmer Band läuft aber alles gut. Das 1996 gegründete Septett gilt heute als einer der bekanntesten und versiertesten Vertreter eines Genres, in dem Romani Music und (osteuropäische Traditionen des) Jewish Folk zusammentreffen. Die so gewitzte wie schwitzige Angelegenheit lebt dabei nicht nicht nur von der fröhlichen Rauhbeinigkeit und Emotionalität dieses „wohl westlichsten Outposts der Shtetl-Kultur“ (Funkhaus Europa), dem sich live nur schwer zu entziehen ist, sondern auch von den vielfältigen Grenzüberschreitungen Richtung Jazz, süditalienischem Tarantella, arabischer Musik. Sa, 3. 11., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66

„Teen Dream“ nannten Beach House ihr 2010 erschienenes Album. Die Teens, die auf diese Weise träumen, sind – möchte man anmerken – allerdings entweder mit „La Boum“ aufgewachsen und damit in der Kategorie „ältere Herrschaft“ anzusiedeln. Oder es handelt sich um ausgewiesene Nerds, die den Trends von morgen stilsicher die Trends von vorgestern entgegensetzen. Die US-amerikanisch-französische Band hat in diesem Sinne den ganz großen Weichzeichner herausgeholt und lässt sich von einer großen Wolke komfortabel durch die eigenen, stets ins Sphärisch-Hymnische tendierenden Songs tragen. Wer wissen möchte, wie man die Mates of State auf noch größere Gradlinigkeit bürstet, wird eine Antwort bei diesem gemischtgeschlechtlichen Duo erhalten. Nur Vorsicht ist angebracht, denn hinter den blankpolierten und von Keyboards schön zugestellten Sound-Flächen und der unbestimmt klingenden Sehnsucht im Gesang wartet ein subversives Monster. Muss man natürlich wissen, um sich darüber zu freuen. Mo, 5. 11, 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20NILS SCHUHMACHER