die woche in berlin
: So furchtbar schwierig ist das gar nicht, kein Sexist zu sein

Sexismusdebatten laufen nach einem immer gleichen Muster ab, der Senat will demnächst eigene Türkisch-AGs anbieten, der Air Berlin-Chef wird weiterhin fürstlich entlohnt, und bald kann man die eigene Wohnung 60 Tage im Jahr an Touristen vermieten

Malene Gürgen über Komplimente, die keine sind

Ermüden ist keine Option

Sawsan Chebli und die Sexismusdebatte

Wieder einmal wird über Sexismus diskutiert. In den sozialen Medien, wo Tausende Frauen mit dem Hashtag #metoo zeigen, dass auch sie sexuelle Belästigung erlebt haben, und in Berlin, wo der Fall der Staatssekretärin Sawsan Chebli Wellen schlägt. Chebli sollte während einer Veranstaltung am letzten Wochenende eine Rede halten, der Versammlungsleiter Hans-Joachim Kiderlen erkannte sie nicht und überspielte seinen Fehler dann mit dem Satz „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“ Inzwischen hat er sich dafür entschuldigt.

Wenn man diese Debatten verfolgt, kann man schon mal müde werden. Müde angesichts der vielen Männer, die sich wieder einmal empören, es sei ­heutzutage doch unmöglich, ein Kompliment von einer Belästigung zu unterscheiden. Müde angesichts auch vieler Frauen, die der Staatssekretärin vorwerfen, die Sache zu sehr aufzubauschen – sie selbst hätten schon Schlimmeres erlebt. Müde angesichts des Bekannten, dem zuallererst der Hinweis einfällt, er sei auch schon mal von Frauen auf sein Äußeres reduziert worden. Müde angesichts der Kollegen, die bei diesen Diskussionen nur verstockt vor sich hin schauen. Müde angesichts der Erregungswellen, mit denen dieses Thema jedes Mal wieder verhandelt wird und von denen am Ende trotzdem so wenig übrig bleibt.

Aber aufgeben ist keine Option. Wenn Sexismus die immer gleichen Reaktionen hervorruft, dann müssen diese auch immer wieder aufs Neue mit den gleichen Antworten bedacht werden: Nein, es ist nicht das Gleiche, wenn jemand etwas zu seiner Freundin sagt oder zu einer Kollegin. Nein, so furchtbar schwierig ist das gar nicht, kein Sexist zu sein. Nein, man kann als Mann diese Diskus­sio­nen nicht den Frauen überlassen. Nein, man sollte die eigenen leidvollen Erfahrungen nicht gegen die anderer ausspielen. Nein, vom gesellschaftlichen Machtverhältnis Sexismus sind Männer nicht annähernd stark betroffen wie Frauen.

Überzeugungsarbeit im eigenen Umfeld kann Sexismus vielleicht nicht abschaffen. Aber sie ist immerhin ein Anfang.

Malene Gürgen

60 Tage müssen reichen

Neue Regelung für Ferienwohnungen

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Wenn ein mil­liar­denschwerer Konzern ohne Unterlass gegen ein Verbot wettert, das er sowieso niemals einzuhalten gedachte, gilt es, das Verbot dringend zu erhalten. Wenn das Ferienwohnungsportal Airbnb also seit Jahren bis zum Erbrechen lobbyiert, um zu erreichen, dass seine Kunden ihre Wohnungen komplett vermieten dürfen und nicht nur einen Teil davon, sollte die Politik laut und deutlich sagen: Nein!

Nun verhält es sich so, dass die Berliner Politik wohl mindestens Jein sagen wird. Die für Mai 2018 geplante Novellierung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes sieht vor, künftig nicht nur das Vermieten von weniger als 50 Prozent des selbst genutzten Wohnraums zu gestatten, sondern das Anbieten der eigenen Wohnung für 60 Tage im Jahr zu legalisieren. Ob das überarbeite Gesetz ein Erfolg für den global operierenden Konzern und seine ebenso penetranten Konkurrenten wird, ist aber nicht ausgemacht.

Bislang nämlich boomt, dem Verbot zum Trotz, die Ferienwohnungsindustrie der Stadt. Immer mehr Angebote, immer mehr hotelgleiche Wohnungen von immer mehr Profi-Anbietern. Das bisherige Gesetz reicht hier nicht aus. Es verhindert nicht, dass Zweitwohnungen legal und ganzjährig als Ferienwohnungen angeboten werden dürfen, es zwingt die Konzerne nicht, ihre Daten offenzulegen. Nur oberflächlich betrachtet war das Gesetz in seiner bisherigen Form kompromisslos, tatsächlich lässt es zahlreiche Hintertüren offen. In der CDU, die es einst gemeinsam mit der SPD beschlossen hat, lacht man sich wohl noch immer leise darüber ins Fäustchen, die Kapitalinteressen nicht zu sehr eingeschränkt zu haben.

Mit der Überarbeitung gibt es nun die Chance, die damaligen Fehler auszuräumen. Das Wichtigste: Die Ferienwohnungsportale müssen ohne Wenn und Aber dazu gezwungen werden, Daten über Gastgeber, Adressen und Anzahl der vermieteten Nächte an die Behörden weiterzugeben. Nur so ist die Kontrolle einer 60-Tage-Regelung möglich. Zudem braucht es harte Strafen, wenn die Unternehmen illegale Angebote auf ihren Seiten auflisten. Beides wäre ein deutliches Nein in ihre Richtung. Wenn das geschieht, wäre auch ein Ja akzeptabel, das den Berlinern künftig gestattet, ihre eigene Wohnung in der Urlaubszeit zu vermieten. 30 Tage würden dafür allerdings auch reichen. Erik Peter

Pleite-Manager gut entlohnt

Skandalöse Abwicklung von Air Berlin

Alle Menschen sind gleich, aber manche sind gleicher. Wer je daran gezweifelt hat, dem beweist die Insolvenz von Air Berlin mal wieder das Gegenteil: Während Tausende Air Berliner Angst um ihre Zukunft haben, die erst einmal in die Arbeitslosigkeit führen könnte, hat sich der Chef des Pleiteunternehmens, Thomas Winkelmann, fürstlich absichern lassen.

Laut Geschäftsbericht von Air Berlin wurde vereinbart, dass Winkelmann auch im Falle einer ordentlichen Kündigung sein Grundgehalt von 950.000 Euro pro Jahr bis Anfang 2021 bekommt. Für das erste Jahr wurde zudem ein Mindestbonus von 400.000 Euro festgesetzt. Die Zahlungsverpflichtungen wurden durch eine Bankgarantie von bis zu 4,5 Millionen Euro abgesichert, sodass auch im Pleitefall gezahlt wird.

Besonderes Geschmäckle: Winkelmann ist erst seit Februar dieses Jahres bei Air Berlin, zuvor war er Manager bei der Lufthansa. Die wiederum hat sich im Zuge der Zerschlagung von Air Berlin die Filetstücke der Fluggesellschaft gesichert. Und sie lässt Kunden, die sich vor der Insolvenz Air-Berlin-Tickets gekauft hatten, im Regen stehen. Deren Geld ist futsch, ganz vielleicht kriegen sie ein paar Euro aus der Konkursmasse des Pleitefliegers.

Knallhart zeigt sich die Lufthansa bislang auch beim Thema Transfergesellschaft. Rutschen große Unternehmen in die Pleite, ist die Gründung solcher Gesellschaften in Deutschland eigentlich üblich, wie beispielsweise Opel Bochum und Schlecker zeigten. Vorteil der Transfergesellschaft: Die Betroffenen sind nicht arbeitslos, sondern können sich weiterbilden oder in Ruhe auf Jobsuche begeben. Das Land Berlin beispielsweise hat 4.000 offene Stellen; herauszufinden, ob ein Air Berliner passt, dauert aber gerade im öffentlichen Dienst seine Zeit.

Die Bundesländer Berlin und Nordrhein-Westfalen wollen eine solche Transfergesellschaft. Bayern ziert sich noch, die Lufthansa will dafür nicht zahlen. Sie argumentiert, dass sie durch die Übernahme von 3.000 Air-Berlin-Arbeitsplätzen und Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro schon genug zu tun hat.

Mit harten Bandagen wurde am Freitag in Island gekämpft: Weil Air Berlin am Flughafen Keflavík nicht die fälligen Gebühren bezahlt haben soll, verweigerten die Betreiber einer Maschine des deutschen Pleitefliegers die Starterlaubnis.

Richard Rother

Auch hier gilt: besser spät als nie …

Peinlicher Streit über Türkischunterricht

Natürlich ist der Streit über den von den diplomatischen Vertretungen der Türkei organisierten Türkischunterricht – kurz Konsulatsunterricht genannt – ein bisschen peinlich. Dass der Unterricht, der bundesweit und auch in Berlin an manchen Schulen nachmittags und freiwillig von dafür extra aus der Türkei importierten Lehrkräften erteilt wird, vor nationalistischen Inhalten strotzt, ärgert Fachleute seit Jahren. Dass mit der AKP-Regierung Recep Tayyip Erdoğans dazu auch noch religiöse Inhalte gekommen sind, hat den Unterricht, mit dem einst „Gastarbeiterkinder“ auf die Rückkehr in die Heimat vorbereitet werden sollten, nicht sympathischer gemacht.

Dennoch: Es ist verbrieftes Recht von Ländern mit großen Minderheiten im Ausland, solchen Unterricht anzubieten – auch andere Staaten tun das, auch in Berlin.

Dass die Debatte über den Konsulatsunterricht nun dazu führt, dass der Senat selbst aktiv wird und ab dem nächsten Schulhalbjahr eigene Türkisch-AGs an Schulen anbieten will, wie diese Woche bekannt wurde, ist immerhin eine erfreuliche Auswirkung. Peinlich ist es aber auch. Jahrezehntelang wurde an Berlins Schulen die Zweisprachigkeit großer Minderheiten der Stadt – vor allem der türkisch- und arabischsprechenden SchülerInnen – ausschließlich als Problem, niemals als Chance oder gar Qualifikation gesehen.

Deutet sich da nun endlich ein Sinneswandel an? Die wachsende Zahl zweisprachiger Familien mit Zuwanderungshintergründen wie Spanien, USA, Israel, zuletzt auch die Zuwanderung teils hochqualifizierter syrischer Familien, hat an vielen Schulen dazu beigetragen, dass in Sachen Zweisprachigkeit nun ein Umdenken möglich erscheint. Der Arabischunterricht an manchen Grundschulen ist ein Zeichen dafür. Man hört gar schon von einer deutsch-­arabischen oder deutsch-vietnamesischen Europaschule munkeln. Auch wenn die lange Zeit, dies für solch gute Ideen gebraucht hat, peinlich ist – wie immer gilt: Besser spät als nie!

Alke Wierth