Nils Schuhmacher
Hamburger Soundtrack
: Kreuzbrave Jagd auf die Deutschland-Rocker

Dieser Tage gab es eine kleine Aufregung im deutschen Parlamentarismus und Blätterwald. Eine Partei namens Alternative für Deutschland ist grandios in den Bundestag eingezogen. Noch am Wahlabend verkündete deren Spitzenkandidat Alexander Gauland überschäumend vor Erfolg: „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“

Ein Fall für verschiedene Berufsgruppen: Gerontologen wiesen darauf hin, dass es mit dem Tempo alter Männer nicht allzu weit her ist, Merkel und andere also gemütlich enteilen können, wenn es drauf ankommt. Amokforscher hatten zu verifizieren, wer mit „wem auch immer“ gemeint sein könnte. Im Fundbüro waren erschreckte Mitarbeiter angehalten, von Karton zu Karton zu eilen, um zu schauen, ob das „Volk“ abgegeben wurde und man sich bei Nichtaushändigung an die AfD möglicherweise zur Zielscheibe machte (siehe „wen auch immer“).

Juristen beschäftigten sich mit der Frage ungeklärter Besitzansprüche und Rechtsphilosophen erörterten die Frage, ob auch Scheintote ihre Besitzansprüche verwirkt haben. In diese komplexen Operationen hinein platzte die Botschaft, dass die AfD es nicht „so“ meint und einfach nur Deutschland „rocken“ will, wie die andere Spitzenkandidatin Alice Weidel wissen ließ. Um dies zu unterstreichen, stellten sich einige Abgeordnete bei der konstituierenden Sitzung vor die leere Regierungsbank, aber eben nur um ein Gruppenselfie zu „schießen“. Und die AfD stellte als Kandidaten für das Amt des Bundestagesvizepräsidenten einen älteren Herrn auf, der seinen Lebensabend nun damit verbringt, Abstimmungen zu seiner Person sieglos zu gestalten.

Immerhin: Einige Zeitgenossen bleiben misstrauisch. In diese Richtung äußerten sich etwa verschiedene Pop-Künstler nach der Wahl in ihrem politischen Leitmedium Twitter. Nur was man da so lesen konnte, las sich nun auch nicht unbedingt wie Jagd, sondern es klang erschöpft oder kreuzbrav. Sagen wir es mal so: Wenn ein Statement wie „AfD wählen ist so richtig 30er“ der Chemnitzer Gruppe Kraftklub (30. 10. Uebel & Gefährlich, 31. 10. Sporthalle) noch zu den gelungeneren gehört, dann weiß man auch ein bisschen: Zum Problem werden die anderen, wenn einem nichts zu ihnen einfällt.