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berliner szenenIn der Buchladen-Bibliothek

Meine Freundin ist dreißig Minuten zu spät. Aber sie kennt das Zauberwort und ich bin ihr nicht böse. Im Gegenteil: dreißig Minuten Bibliothek!

„Sorry“, schreibt sie per SMS, „bin spät“ – da bin ich noch sauer – und dann aber: „An der Ecke sollte’ne Bibliothek sein. Warte doch da. Okay?“

Und wie okay! Ich warte gern in der Bibliothek, auch wenn die Bibliothek ein Buchladen ist, also kaufen statt leihen, aber Inhalt derselbe. Oder fast: Viel neuer sind die Bücher hier; man muss gar nicht monatelang warten, dass die aktuellen Hits und so zur Verfügung stehen. Super ist das.

„Super“, tipp ich zurück. Das heißt, ich will es tippen, aber ich komm nicht dazu. Die Bücher vor meiner Nase sind viel interessanter – endlich mal wieder lesen statt selber schreiben, auch wenn’s nur eine SMS ist.

Meine Freundin wird das verstehen; sie findet mich schon. Weil: Bibliothek! Buchladen! Zauberwort.

Wird Zeit, dass ich auch mal ein Buch rausnehm aus den Regalen. Fünfzehn Minuten sind plötzlich schon rum, und ich hab bis jetzt nur gestanden, den Kopf geneigt, immer nach links, weil deutsche Bücher, dann nach rechts, weil englische Bücher. Die Buchrücken sind verschieden herum bedruckt.

Das fasziniert mich, und ich will’s jetzt wissen: Liest sich ein Titel anders, wenn man den Kopf zum Lesen des Titels andersrum neigen muss? Ich zieh ein Buch raus aus dem Regal und schieb es andersrum wieder rein. Dann les ich den

Titel noch mal. Tatsache! So mit dem Kopf auf die entgegengesetzte Seite gekippt.

Bevor ich mich verseh, sind wieder fünfzehn Minuten vorbei und ich hab immer noch kein Buch angelesen, sondern nur ziemlich viele falsch herum ins Regal gestellt. Ich zieh mein Handy raus. „Kannst du bitte noch mal dreißig Minuten zu spät kommen?“, schreib ich an meine Freundin. Sie wird es bestimmt verstehen.

Joey Juschka

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