: Niemand soll in den Flüchtlingslagern erfrieren
Ein Bündnis von Flüchtlingsinitiativen fordert, die Menschen schnell von den Inseln zu lassen
Von Lucia Heisterkamp
Ein Bündnis verschiedener Flüchtlingsinitiativen in Griechenland hat einen gemeinsamen Aufruf an die griechischen Behörden veröffentlicht: „Der Winter bricht an, auch für die Flüchtlinge in Griechenland. Letztes Jahr sind bereits sechs Menschen wegen der katastrophalen Zustände in einem Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos ums Leben gekommen – das darf sich nicht wiederholen“, heißt es in der Stellungnahme, die am Mittwochabend an die Öffentlichkeit ging.
Unterzeichnet haben über vierzig Gruppen, die sich auf den griechischen Inseln und dem Festland für Geflüchtete einsetzen. Neben internationalen Initiativen wie Sea Watch und Borderline Europe sind auch lokale griechische Gruppen dabei. „Für die Bewohner hier ist es unerträglich, dass Menschen in ihrer direkten Nachbarschaft nicht genug zu essen haben, dass sie Plastik verbrennen müssen, um nicht zu erfrieren“, sagt Marily Stroux von Watch the Med, die seit Jahren in Griechenland lebt.
Der Aufruf folgt einem Bericht von Ärzte ohne Grenzen, der am Dienstag vorgelegt wurde und die dramatische Lage auf den Inseln beschreibt. Demnach leben allein im Auffanglager Moria auf Lesbos über 5.000 Menschen, obwohl es eigentlich nur für 1.800 ausgerichtet ist. „Ich habe ein minderjähriges Mädchen getroffen, das neun Monate in Moria war“, sagte Stroux der taz. „Sie hat nächtelang gefroren und konnte nicht schlafen, weil die Leute um sie herum nachts geschrien haben. Noch immer sind über 200 Kinder in dem Lager.“
Das Bündnis fordert, die Menschen von den Inseln zu lassen und wintergerechte Unterkünfte bereitzustellen. „Im letzten Winter mussten die Leute bei Minusgraden in Zelten schlafen“, sagt Valeria Hänsel von der Initiative Bordermonitoring. „Die Bedingungen haben sich seitdem nicht wirklich verbessert, und es gibt keinen Plan, wie verhindert werden soll, dass weitere Menschen erfrieren.“
Die Forderungen richten sich nicht nur an die griechischen Behörden, sondern vor allem an die Europäische Union: „Die Zustände hier sind nicht das Resultat einer Naturkatastrophe, sondern der europäischen Flüchtlingspolitik“, sagt Hänsel. „Die EU muss sich darum kümmern, dass die Asylentscheidungen endlich getroffen werden und die Leute umgesiedelt werden.“
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