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Warten auf Straßburg

Frist beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte läuft

Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg wird in den nächsten Wochen eine grundsätzliche Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Inhaftierung von Journalisten in der Türkei erwartet.

Am heutigen Dienstag endet für die türkischen Behörden eine wichtige Frist: Bis dahin hat die Regierung die Möglichkeit, dem Gerichtshof für Menschenrechte eine schriftliche Stellungnahme im Fall der inhaftierten Journalisten der Zeitung Cumhuriyet abzugeben.

Am selben Tag endet für die Türkei auch die Frist im Fall des inhaftierten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel, der nach 252 Tagen im Gefängnis immer noch keine Anklageschrift hat.

Der EGMR hatte im Sommer beide Fälle – Cumhuriyet und Yücel – angenommen und beschlossen, sie mit Vorrang zu behandeln. Was die Cumhuriyet betrifft, hatte die Türkei am 3. Oktober bereits eine Frist verstreichen lassen und das Gericht um Aufschub gebeten.

Aufgrund der großen Bedeutung dieser Fälle wird auch der Pressefreiheits-Beauftragte der Vereinten Na­tio­nen, David Kaye, eine Stellungnahme abgeben. Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, hat dies bereits letzte Woche getan. Muižnieks unterstützt die Beschwerden der Anwälte der Journalisten vor dem EGMR: Die Inhaftierung der Presseleute bezeichnet er als „willkürlich und unverständlich“, die türkische Justiz sei dabei, ihre Unabhängigkeit zu verlieren.

Auch die Bundesrepublik Deutschland wird im Fall Yücel Stellung nehmen. Damit wird zum ersten Mal seit 1986 eine Regierung in einem EGMR-Verfahren gegen die Türkei gehört.

Veysel Ok, der Anwalt von Yücel, sagte in einem Interview mit der Welt: „Die türkischen Behörden haben klar gegen nationales Recht wie auch gegen internationale Abkommen verstoßen. Wir hoffen, dass der EGMR hier ein Beispielurteil zur Inhaftierung von Journalisten in der Türkei fällen wird.“

Auch die Anwälte der Cumhuriyet-Mitarbeiter rechnen in den nächsten Wochen mit einer Musterentscheidung seitens des Gerichts. Der türkische Präsident und die Justiz des Landes werfen den inhaftierten Journalisten Terrorpropaganda vor, manchen von ihnen auch die Unterstützung terroristischer Vereinigungen und eine Verwicklung in den Putschversuch vom Sommer 2016.

Die Entscheidungen des EGMR werden also über den Fall der einzelnen Angeklagten hinaus auch als Urteil zur Lage der Pressefreiheit in der Türkei gelesen werden können. Als Mitglied des Europarates ist die Türkei an die Entscheidungen des EGMR gebunden und müsste die Journalisten freilassen, wenn das Gericht einen entsprechenden Beschluss fällt.

Doris Akrap

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