Im Schatten des Booms

Mehr als jedes fünfte Kind lebt in Armut. Wohlfahrtsverbände fordern mehr Sozialleistungen

Von Barbara Dribbusch

Die Wirtschaftsdaten sind zwar gut, aber in vielen Haushalten kommt das nicht an. Rund 21 Prozent aller Kinder in Deutschland leben über eine Zeitspanne von mindestens fünf Jahren dauerhaft oder wiederkehrend in einer Armutslage. Für weitere zehn Prozent ist dies ein kurzzeitiges Phänomen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine am Montag vorgestellte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.„Kinderarmut ist in Deutschland ein Dauerzustand. Wer einmal arm ist, bleibt lange arm“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.

Die ForscherInnen untersuchten 3.200 Kinder über einen Zeitraum von fünf Jahren. Durch diese Längsschnittbetrachtung mit mehreren Befragungen in größeren Zeitabständen konnten sie die Dynamik in den Haushalten verfolgen. Die IAB-Experten verzeichneten dabei eine „hohe Kontinuität der Einkommens- und Armutslagen“, also für viele Kinder wenig Veränderungen über die Jahre.

Allerdings stellten die Forscher auch fest, dass etwa die Hälfte der Kinder im Hartz-IV-Bezug die Sozialleistungen nicht während der gesamten fünf Jahre der Studiendauer bezog. Mitunter hatten die Mütter Arbeit gefunden, außerdem verbesserte sich die Betreuungssituation. „Möglicherweise kann auch eine insgesamt günstigere Arbeitsmarktlage mit dieser Entwicklung in Verbindung gebracht werden“, heißt es in der Studie.

Als armutsgefährdet gelten Kinder, die in einem Haushalt leben, der über weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens verfügt oder der Hartz-IV-Leistungen erhält. Die Schwelle zur Armutsgefährdung liegt dabei für einen Alleinstehenden bei 934 Euro netto im Monat, für eine Alleinerziehende mit Kind beträgt die Schwelle 1.214 Euro netto im ­Monat. Als besonders gefährdete Gruppen identifizierten die Forscher Kinder von alleiner­ziehenden Eltern, solche mit mindestens zwei Geschwistern oder mit geringqualifizierten Eltern.

Die Caritas bezeichnete die Ergebnisse der Studie als beschämend. Ebenso wie die evangelische Diakonie forderte der Verband, bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen konkrete Maßnahmen gegen Kinderarmut zu beschließen. Die Diakonie fordert besondere Hilfen für Alleinerziehende, Kinderreiche und Langzeiterwerbslose. Man brauche eine „einheitliche Sockelförderung als Kindergrundsicherung sowie kostenlose Verpflegung in Kita und Schule, Bildungsförderung, Beratungs- und Freizeitangebote“, sagte Diakonie-Vorstandsmitglied Maria Loheide.